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Im Dunkeln läßt sich's gut munkeln

Mit dem Bauboom wird die Schwarzarbeit in Berlin noch zunehmen / Bis Mai bereits über 2.000 Ermittlungsverfahren gegen Arbeitgeber / Ausbeutung der Werkvertragsarbeiter  ■ Von Severin Weiland

Im Kampf gegen die Schwarzarbeit zieht der Senat die Schraube an. In diesem Jahr sind nach Angaben der Bauverwaltung neun Firmen wegen Schwarzarbeit, weitere fünf wegen Preisabsprachen aus dem senatseigenen Unternehmen- und Lieferantenverzeichnis (ULV) gestrichen und somit von der öffentlichen Auftragsvergabe ausgeschlossen worden. Unter den schwarzen Schafen sind auch bekannte Unternehmen, die jedoch aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht genannt werden, wie es aus der Bauverwaltung heißt.

Für Joachim Ciupka, Kriminaloberrat und Leiter der Gemeinsamen Ermittlungsgruppe Schwarzarbeit (GES), ist die Nachricht „begrüßenswert“. Aus der Erfahrung mit den Hintermännern des profitablen Geschäfts weiß Ciupka aber auch, daß die Drohung mit dem ULV nur begrenzte Wirkung zeigt. Nicht nur, weil die ULV- Sanktionen nur Unternehmen betreffen, die auf öffentlichen Baustellen erwischt worden sind. Bis zur Streichung, die erst nach einer rechtskräftigen Verurteilung erfolgen kann, vergehen manchmal Jahre. „In der Zwischenzeit werkeln diese Firmen munter weiter oder halten sich bedeckt im Hintergrund, während für sie Strohmänner als Geschäftsführer oder Bauleiter nach außen hin agieren“.

Unter den Experten gilt es als ausgemacht, daß die Schwarzarbeit in der Hauptstadt mit dem Bauboom noch zunehmen wird. Allein im vergangenen Jahr wurden 7.261 Ermittlungsverfahren verzeichnet, rund 20 Prozent mehr als noch 1991. Und bis Ende Mai dieses Jahres sind nach Angaben von Ciupka über 4.000 Ermittlungsverfahren bei der GES anhängig, davon richten sich allein 2.000 gegen Arbeitgeber. Ciupka: „Der überwiegende Teil der angestrengten Verfahren fällt auf die Baubranche und den Dienstleistungssektor“.

Die illegale Arbeitnehmerüberlassung, in der Baubranche generell verboten (so dürfen etwa Zeitarbeitsfirmen keine Maurer an andere Unternehmen verleihen), ist nach Angaben von Dietmar Butzke, erster Sachbearbeiter im Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg und Mitarbeiter der GES, derzeit „rückläufig“. Grund seien die weitaus billigeren Arbeitskräfte, etwa illegal lebende Ausländer oder Asylbewerber, die sich mit Dumpingpreisen den Unternehmen anbieten würden.

Probleme bereiten auch zunehmend die Werkvertragsarbeiter: „Wir stellen fest, daß diese Arbeitnehmer immer häufiger länger als vertraglich festgeschrieben bleiben, obwohl ihre Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis schon abgelaufen ist“.

Nach den Zahlen des Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung waren im Juni noch rund 77.000 Werkvertragsarbeitnehmer in der Bundesrepublik tätig, zwei Drittel davon auf dem Bau. Bis Ende dieses Jahres soll die Zahl der Werkvertragsarbeiter auf 50.000 heruntergeschraubt werden. Ein völlige Aufgabe der Werkverträge, die derzeit mit Polen, Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Lettland, dem ehemaligen Jugoslawien, der ehemaligen ČSFR und der Türkei bestehen, wird nicht anvisiert. „Wir wollen die bilateralen Vereinbarungen sowohl aus außenpolitischen Gründen aufrechterhalten, als auch, um die Reformprozesse in diesen Ländern nicht zu gefährden“, so Manfred Harrer, Ministerialdirektor im Berliner Amt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung. Schließlich brächten die ausländischen Arbeitnehmer Devisen in ihr Land zurück und könnten sich auf deutschen Baustellen Fachwissen aneigenen. Verbesserungen sind aber nach Harrers Ansicht dringend geboten.

Bei den Razzien auf Baustellen – darunter auch in Berlin – sei festgestellt worden, daß die Werkvertragsarbeiter zum Teil unter „unmenschlichen Bedingungen gehalten werden“. So gebe es Beispiele von osteuropäischen Arbeitern, die von ihrem Stundenlohn, der in der Regel zwischen vier und acht Mark liegt, noch eine Mark für die Übernachtung an Subunternehmen zahlen müßten. Um die Niedriglöhne der ausländischen Vertragsunternehmen zu brechen, wird derzeit im Ministerium ein Vorschlag der deutschen Bauindustrie geprüft, nach dem den Werkvertragsarbeitern in Zukunft vom deutschen Generalunternehmer der deutsche Tariflohn von rund 20 Mark ausgezahlt wird.

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