„Paulas“ erobern den Äther

■ Wider die scheinbare Objektivität: Radio St. Paula lädt zur Diskussion in den Frauenbuchladen

„Weil man viel zu wenig Frauenstimmen im Radio hört, gibt es Radio St. Paula“, erklären Frauke und Susanne ihr Engagement für das Frauenradio, das seit eineinhalb Jahren vier Mal in der Woche im Offenen Kanal sendet.

An die Gründungsphase erinnert sich keine der heute aktiven Frauen gerne: Anfang 1992 führten Konflikte zwischen den damals beteiligten Männern und Frauen zum Zerfall von Radio St. Pauli. Die Männerfraktion setzte ihre Arbeit später mit Radio Loretta fort. Die seinerzeit als „ideologisierte Feministinnen“ beschimpften Frauen gründeten Radio St. Paula. Von ihnen ist heute allerdings kaum eine mehr dabei.

„Feministisch und frei“, ist das Selbstverständnis heute — von Werbeeinnahmen und kommerziellen Beschränkungen unabhängig soll ein alternatives Programm für Frauen und Lesben in ganz Hamburg gemacht werden, das sich nicht auf Infos aus der Hardcore-Feministinnenszene beschränkt. „Die eingefleischten Feministinnen hören uns eh“, meint Frauke, „wir wollen auch neue Frauen ansprechen.“ Frauen sollen mit Themen wie „Feministische Tabus“, „Frauen in El Salvador“ und „Obdachlosigkeit von Frauen“ das Radio als ein neues Kommunikationsinstrument entdecken können.

Zur Zeit arbeiten 15 Frauen aktiv im Verein mit. Einmal in der Woche tagt das Plenum, das Organisatorisches und Inhaltliches diskutiert. Die „Paulas“ wollen offen bleiben für inhaltliche Diskussionen und fahren keine einheitliche politische Linie. Ein Grundsatz des Vereins ist Parteilichkeit: Alles wird — entgegen einer „scheinbaren Objektivität“ der Journaille — bewußt aus Frauenperspektive beleuchtet. Es wird versucht, keine Männerstimmen über den Äther zu schicken, denn „es gibt genug Frauen, die was zu sagen haben. Die sind bloß so selten zu hören, denn die Männer sind meistens schneller“, erläutert Susanne. Sogar in Sachen Musik wird man zur Sendezeit von Radio St. Paula nur Weibliches vernehmen; männliche Sänger, mögen sie noch so gut sein, werden konsequent ignoriert.

Die Zukunft für für die Medienfrauen leuchtet rosarot bis pink: Im April dieses Jahres bewilligte die Hamburger Medienstiftung 80.000 Mark und ermöglichte damit ein eigenes Studio. Die Radio-Frauen sind optimistisch, gegen Ende des Jahres eine eigene Frequenz zu bekommen. Die werden sie sich dann mit den anderen alternativen Hamburger Sendern, die sich im März 1992 zur AG Radio zusammengeschlossen haben, teilen.

Birgit Maaß

Spenden: Hamburger Sparkasse (BLZ 50050550), Konto 32281041892. PLenum: dienstags, 20 Uhr, Rote Flora; am 14. Juli, 20 Uhr stellt sich Radio St. Paula im Frauenbuchladen, Bismarckstr. 98, zur Diskussion (nur für Frauen)