: Exodus der Unternehmen
■ Vielen Betrieben wird Berlin zu teuer / Das Umlandlockt mit günstigen Bodenpreisen / Flächen fehlen
Den Berliner Betrieben wird ihr Standort zu teuer. Vor den Toren der Metropole gibt es viel Land zu günstigen Preisen, und das alte Betriebsgrundstück läßt sich meist noch gut versilbern. Nach Angaben des Senatswirtschaftsverwaltung haben rund 40 Unternehmen mit 3.800 Beschäftigten ganz oder teilweise ihre Aktivitäten ins Umland verlagert. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ergab, daß vom verarbeitenden Gewerbe jedes zehnte Unternehmen ins Umland ziehen will. Ein hoher Abwanderungsdruck besteht in den Innenstadtbezirken. Dort dürften in absehbarer Zeit etwa 10.000 der über 200.000 Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe vor die Tore der Stadt oder in andere Regionen verlagert werden. In Ostberlin ist die industrielle Basis schon weitgehend weggebrochen.
Die Landeszentralbank Berlin- Brandenburg meint, Westberlin werde als Standort für das verarbeitende Gewerbe nur noch attraktiv sein können, „wenn die durch die ehemalige Insellage und die Berlin-Förderung geprägte und nun nicht mehr standortgerechte Wirtschaftsstruktur überwunden wird“.
Durch eben dieses schnelle Auslaufen der Berlin-Hilfen sehen Betriebe ihre Wettbewerbsfähigkeit massiv gefährdet. Der Ausfall könne nicht kurzfristig durch neue Märkte kompensiert werden. Die Eternit AG rechnete vor, daß sie 1992 einen Ausgleich für fünf Millionen DM gestrichener Förderung erwirtschaften mußte. Ein weiteres Argument für die Aufgabe meist traditioneller Standorte sind die Transportkosten. Es mache ökonomisch wenig Sinn, Zulieferteile über verstopfte Straßen in die Stadt zu bringen, um später Endprodukte auf den gleichen langen überfüllten Wegen wieder herauszufahren.
Nach Meinung von Experten habe nur durch hohe Subventionen erreicht werden können, daß in Westberlin das verarbeitende Gewerbe noch stark vertreten sei. Es seien fast ausschließlich Produktionsstätten angezogen worden, während zentrale Verwaltungs- und Forschungsbereiche fern blieben. Nun komme erschwerend hinzu, daß Potsdam um jede Ansiedlung im Speckgürtel im Berliner Südwesten kämpft. Wenn Betriebe bei einer Verlagerung von nur wenigen hundert Metern massive Subventionen aus Steuermitteln einstreichen könnten, sei ihnen ein Standortwechsel kaum zu verdenken.
Hohe Grundstückspreise oder in der Nähe nicht verfügbare Flächen sind ebenfalls Gründe für Verlagerungen. So überlegt eine Brauerei im Ostteil, wegen begrenzter Erweiterungsmöglichkeiten auf dem eigenen Gelände ins Umland zu ziehen. dpa/taz
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