Soziale Kontrolle gegen Männerkumpanei

■ Die Diskussionen um sexuelle Belästigung und Gewalt an der FU gehen weiter

Die junge Frau sieht sich irritiert in dem FU-Raum um. „Bin ich hier richtig bei Gewalt gegen Frauen?“ Erleichtert läßt sie sich auf die Bestätigung hin nieder. Die Anwesenden diskutieren gerade darüber, ob eine soziale Kontrolle von Männerseite ein wirksames Mittel gegen die Kumpanei an den Fachbereichen sein könnte. Schließlich verschlechterten Kollegen mit ihren Übergriffen das Arbeitsklima und schadeten dem Ruf der FU. „Die müssen zu ihren Kollegen hingehen und ihnen sagen, daß es kein fehlgeschlagener freundlicher Annäherungsversuch ist, wenn sie einer Studentin unter den Rock fassen“, sagte Barbara Riedmüller, Ex-Vizepräsidentin und ehemalige Wissenschaftssenatorin.

Mit zwei von Christine Färber, der zentralen Frauenbeauftragten, organisierten Podiumsdiskussionen ging die durch einen Fall am Otto-Suhr-Institut (OSI) ausgelöste Diskussion um sexuelle Belästigung und Gewalt an der FU weiter. Montag abend ging es darum, wie wirksam gegen sexuelle Gewalt und Belästigung an der Uni vorgegangen werden kann. Disziplinar- oder strafrechtliche Maßnahmen würden selten greifen, Zeugen gäbe es fast nie, Beweise zu erbringen sei schwierig. Barbara Klemm vom Personalrat der FU forderte, einen Vermerk in die Personalakte zu machen, wenn ein Dozent der sexuellen Belästigung beschuldigt werde. Ein nicht an den Fachbereichen situiertes Gremium solle als Anlaufstelle für betroffene Frauen und als Kontrollinstanz für die Professoren dienen, so Riedmüller. Nach Ansicht von Vize-Präsident Werner Väth wird zwar derzeit jeder Fall sexueller Belästigung verfolgt, der der Unileitung konkret bekannt werde. Doch zusätzlichen Formen sozialer Kontrolle zeigte er sich nicht abgeneigt.

Schon am Donnerstag vergangener Woche war auf einer nur für Frauen zugelassenen Veranstaltung zum Thema „Gewalt gegen Frauen oder neue feministische Prüderie?“ diskutiert worden. Die momentan nicht nur am OSI geführte Debatte stelle ständig Sexualität und sexuelle Gewalt auf eine Stufe, beklagte Sabine Tiedjen von der OSI-Frauenzeitung. Den Feministinnen werde Lustfeindlichkeit unterstellt, um zu verschleiern, daß es um Gewalt gegen Frauen gehe. Vor allem beschäftigten sich die Teilnehmerinnen mit der Frage, warum belästigte Frauen gerade von ihren Geschlechtsgenossinnen wenig Solidarität zu erwarten haben. „Für die jüngeren Frauen ist der Knick im Selbstbild am schlimmsten“, sagte Färber. Sie kämen selbstbewußt aus den Schulen an die Unis und würden bei sexueller Belästigung mit einem Opferstatus konfrontiert, der für sie neu sei. Viele verlassen dann Fachbereich oder Uni. „Oder sie verdrängen es und knüppeln auf alle ein, die ihnen vermitteln wollen, sie hätten da ein Problem.“ Corinna Raupach