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Unterm Strich

Dies ist die Damenseite der heutigen Kurzmeldungen. Die Herren lesen bitte auf der nächsten Seite weiter. Also: Wir haben in einer Nachtsitzung für Sie, meine Damen, das ein oder andere Frauenmagazin durchgeblättert, im Sinne von „How the other half lives“, und es hat uns die Birkenstockschuhe ausgezogen. An Ihnen, aufgeweckte Leserinnen, kann es nicht liegen, das wissen wir; also wie um alles in der Welt kommen diese Leute darauf, daß jemand folgendes lesen möchte in seiner Freizeit: „Ich glaube, ich bin am ganzen Körper rot, weil ich mich so schäme. Ich schäme mich sogar vor den Bildern an der Wand. Einen Spiegel zwischen meinen Beinen zu haben und meine...? – Himmel, auch noch einen Namen dafür zu finden! – zu betrachten. Abstoßend das alles... Wie lang eine Viertelstunde ist, wenn man dabei die ganze Zeit auf seine geheimste Stelle starren soll. Vagina habe ich das Ding bisher genannt, wenn ich es schon benennen mußte. Dabei ist Vagina nur ein Teil! Aussehen tut es wie eine verschlossene Blume, innen rosig und glänzend. Ob ich es meine liebe Frau nennen soll?“ Kreisch. Revolutionär! Wacker besorgten wir also in unserer Nachtsitzung diverse Spiegel – kein Problem in unseren narzistisch-verzückten Breitengraden – und reichten sie im Viertelstundentakt herum. „Soll ich dies Ding hier meinen Zinken nennen, oder womöglich doch lieber Nase?“ schallte es fröhlich. „Und dies hier, sind das Hanni und Nanni?“ Die im letzten Winter beim unbeheizten Sonntagsdienst abgefrorenen Gliedmaßen, sind das vielleicht „Michi, Tommi und Ichi“? Nicht genug, daß man mit anderer Leute Intimitäten belästigt wird, es soll auch noch einer Guten Sache dienen: Die oben notierten Tagebuch-Exzerpte entstammen einem Artikel mit dem humorigen Titel „Lust: Masturbieren geht über Studieren.“ Unterzeile: „Onanieren will, ja sollte gelernt sein: Wer das Solo beherrscht, ist auch meisterlich beim Duett im Bett. Und das alles stammt von der gewissermaßen allseits aufgeklärten Dame „Florentine Hoffmann“. Mensch, Florentine. Vielleicht ist ja doch was dran an der Sache mit den Hirnabbauprozessen. Stundenlang starrten wir, die Spiegel in tatternden Händen haltend, an uns selbst entlang, die Kreuz und die Quer. Plötzlich löste sich, aus unserer geheimsten Stelle, ein Schuß. Wirklich abstoßend das.

Der echte Schocker aber kam dann, als wir lasen, was Männer von Frauen angeblich hören wollen: „Deine Hände sind wunderbar“, „Welches Buch soll ich lesen“, „Deine Schenkel sind so prall, dein Profil ist einzigartig. Mit deiner Figur könntest du als David in Florenz stehen.“ „Das ist sehr aufmerksam von dir.“ Wir versuchten's mit dem letzten Satz gleich beim Nachrichtenredakteur im Hause, der mit seiner Figur ohne weiteres im Museum of Natural History stehen könnte, und mußten erleben, wie man auf prallsten Schenkeln vor uns davonlief.

Lesen gegen das Patriarchat

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