UKE: Tests mit Todkranken?

■ Verwirrspiel um Strahlentherapie immer undurchsichtiger / Radiologie-Chefarzt: „An Erfahrungen orientiert“ / UKE dementiert    Von Sannah Koch

Die Strahlentherapie-Geschädigten aus der Universitätsklinik Eppendorf (UKE) - sind sie die Opfer einer Testreihe? Das Verwirrspiel nimmt keine Ende. In der aktuellen Ausgabe des stern wird Radiologie-Chefarzt Dr. Klaus-Henning H. mit der Aussage zitiert, er habe sich seinerzeit mit 30 Patienten an eine US-Studie „drangehängt“. „Die erste Gruppe, zu der Frau St. gehörte, wurde von uns vor- und nachbehandelt, eine zweite Gruppe nur chirurgisch behandelt“, so H. gegenüber dem Magazin. Von UKE-Sprecherin Marion Schafft wird Hs. Aussage jedoch gegenüber der taz als „mißverständlich und verkürzt“ dementiert: „Zu diesem Zeitpunkt hat es im UKE keine Studie und deshalb auch keine Testpersonen gegeben.“.

An eine Studie könne man sich „nicht dranhängen“, sondern sich allenfalls an der beschriebenen Behandlungsform orientieren, stellt die Sprecherin klar. Problematisch sei der Zeitraum bis 1990 deshalb gewesen, weil es bis dahin keine internationalen Richtwerte für die Bestrahlung von Darmkrebspatienten gab. Also hätten sich die Radiologen an den Erfahrungen anderer Mediziner orientieren müssen. Für eine Studie, so Schafft, hätte sich das UKE aber mit anderen Zentren zusammenschließen, diese bei der Ethikkomission anmelden und Testgruppen bilden müssen. All dies jedoch sei in den Jahren 1987 bis 1990 nicht der Fall gewesen.

Auch der Chefarzt selbst dementiert, daß Patienten „ihre Strahlenbehandlung im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie erhalten“ hätten. Ebensowenig stimme die Vermutung, daß die verstorbene Patientin St. einer Testgruppe angehört habe.

Bei diesem Verwirrspiel bleibt jedoch offen, warum die Erinnerungen der inzwischen verstorbenen Patientin St. mit der im stern zitierten Aussage von Chefarzt H. so genau übereinstimmen. Thea St. war zwei Jahre nach ihrer Bestrahlung im Januar 1990 von dem UKE-Arzt Dr. B. mit der Begründung zu einer Nachuntersuchungen bestellt worden, sie gehöre zu einer Gruppe von 30 Testpersonen.

Der CDU-Abgeordnete Sieghard-Carsten Kampf hat es da leicht, gegen den für das UKE zuständigen Wissenschaftssenator scharf zu schießen. „Hajen muß jetzt massiv dafür werben, daß das verloren gegangene Vertrauen in das UKE bei der Bevölkerung wieder hergestellt wird“, so Kampf gestern auf einer Pressekonferenz. Die Mitarbeiter dürften nicht das Gefühl bekommen, daß sie vom Senator hängengelassen werden.Als Konsequenz aus den Vorgängen im UKE forderte Kampf die bereits 1987 nach dem Bernbeck-Skandal vom Parlament befürwortete Einsetzung von Patientenbeauftragten in allen Krankenhäusern. Um ihre Neutralität zu gewährleisten, dürften diese weder Angestellte der Gesundheitsbehörde noch Mediziner sein. Um die Schadenersatzforderungen der Betroffenen unbürokratisch zu regulieren, solle der Senat außerdem einen Finanzierungsfonds in den Haushalt aufnehmen.

Derweil funkt die Patienteni-nitiative S.O.S: Bis zu 60 Beratungsanfragen täglich haben die Kapazität der Mitabeiter erschöpft. Die Initiative bittet umehrenamtliche Unterstützung von Menschen mit medizinischem Sachverstand (beispielsweise Medizinstudenten). Wer helfen will, soll sich Montag bis Donnerstag unter der Telefonnummer 279 64 65 melden.