Asylbewerber als „Schweine“ beschimpft

■ In Köpenick soll Asylbewerberheim entstehen / Bürgerversammlung tobte

Gebrüll, Parolen und ein Berg von Vorurteilen prägten die Bürgerversammlung am Dienstag abend in Köpenick. Sozialstadträtin Helga Walter hatte insbesondere die Bewohner des Stadtteils Wendenschloß eingeladen, da dort ein Wohnheim für 400 Asylbewerber eingerichtet werden soll. Zu beneiden sind die zukünftigen Bewohner nicht, denn schon ihrer Ankündigung schlug geballter Haß entgegen. Rund 300 Bürger der Eigenheim-Siedlung kamen und ließen weder die Sozialstadträtin noch ihre drei Gäste im Podium ausreden. Als die Bürger erfuhren, daß der Beschluß bereits feststeht, daß das Heim zum 1.September bezugsfertig sein soll, brachen sie die Versammlung ab.

Daß es den Menschen in den neuen Bundesländern doch schon schlecht genug gehe, war der Grundtenor des Protests im Yachtclub, da müsse man sich „nicht auch noch Asylanten herholen“, so einer der Lautesten. Feuerrot war sein Gesicht unter dem grauen Bürstenhaarschnitt, als er seine Frage in den Raum brüllte, warum er „die Schweine reinlassen“ solle. Tosenden Beifall erhielt neben ihm auch ein Köpenicker, der die faktische Abschaffung des Grundrechts auf Asyl als Errungenschaft bezeichnete, in Folge derer es keine Asylbewerber mehr gebe: „Warum sollen wir Wirtschaftsflüchtlingen ein Haus bauen und dafür Millionen zahlen?“

Wenig Gehör fand Helmuth Penz von der Betreibergesellschaft Sorat, der erklärte, daß keineswegs für Millionen, sondern „mit einem Minimum an Aufwand Küchen und sanitäre Einrichtungen“ in das leerstehende Gebäude eingebaut würden. Genaue Zahlen verlangten die Bürger und gaben ihre neuerworbenen Kenntnisse des Kapitalismus zum besten: „Ich habe in meinen Wortschatz aufgenommen, daß sich alles rechnen muß“, teilte eine Frau mit und warf Stadträtin Walter vor, daß dies in diesem Fall nicht gelänge. „Sozialleistungen rechnen sich nie“, gab diese Nachhilfe in sozialer Marktwirtschaft. Unterstützung erhielt sie dabei von Sozialamtsleiter Frank Thomann: „Wir können unmöglich nur übers Geld reden, es geht hier um Menschen.“

Thomann, der fassungslos den Kopf schüttelte, erntete dafür in Wendenschloß schallendes Gelächter. Sein Verweis auf die Not der Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien wurde mit dem Zwischenruf quittiert: „Die schießen sich doch gegenseitig tot, die sind doch dumm.“

Entsetzt über die Teilnehmer zeigte sich eine alte Dame, die aufstand und direkt „die lauten Männer mit den dicken Bäuchen“ ansprach: „Was haben Sie eigentlich für ein persönliches Verdienst, daß Sie als Deutscher, nicht als Jugoslawe oder Pole auf die Welt gekommen sind?“ Gnadenlos wurde sie daraufhin von mindestens hundert Gästen niedergebrüllt, jeder Versuch eines weiteren Redebeitrags wurde sofort übertönt. „Ich habe keine Angst vor Ausländern“, sagte sie im Anschluß der taz, „ich habe Angst vor diesem johlenden Volk.“ Christian Arns