: Fünfjährige legt Hanauer Plutoniumfabrik auf Eis
■ Drei Teilgenehmigungen für die neue Plutoniumfabrik in Hanau gerichtlich gekippt
Frankfurt/Main (taz) – Der hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel hat gestern drei der ersten vier Teilgenehmigungen für das fast fertiggestellte neue Brennelementewerk der Firma Siemens in Hanau aufgehoben, die noch unter der CDU/FDP-Landesregierung erteilt worden waren. Das Gericht gab damit einer Klage der heute knapp sechsjährigen Klara Diez aus Hanau gegen die von dem damaligen Umweltminister Weimar (CDU) erteilten Genehmigungen statt.
Wie der VGH nach der Urteilsverkündung schriftlich ausführte, ist die Kammer zu dem eindeutigen Ergebnis gelangt, daß das hessische Ministerium für Umwelt und Reaktorsicherheit bei der Erteilung dieser Genehmigungen in den Jahren 1987 bis 1990 „gegen die Bestimmungen des Atomgesetzes verstoßen“ hat. Insbesondere habe es das Ministerium seinerzeit versäumt, die Auswirkungen der Aus- und Umbauarbeiten für die neue Plutoniumfabrik auf den laufenden Betrieb der Altanlage hinreichend zu würdigen.
Kuriosum am Rande: Als Nachfolgerin der 1991 abgelösten CDU/FDP- Landesregierung war die amtierende SPD/Grünen-Landesregierung, die der Position der Klägerin zustimmt, vor dem VGH die beklagte Partei. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Entscheidung hat der VGH die Revision beim Bundesverwaltungsgericht in Berlin zugelassen – und die Firma Siemens, die schon 950 Millionen Mark dort verbaut hat, kündigte sie gestern nachmittag auch prompt an – wie auch möglicherweise Schadensersatzforderungen gegen das Land.
„Ich gehe davon aus, daß das Land Hessen auf ein Revisionsbegehren verzichten wird“, sagte der Vater der Klägerin, Elmar Diez, Stadtverordneter der Grünen in Hanau, in einer ersten Stellungnahme zur taz. Die Klage von Vater Diez gegen die 2. Teilerrichtungsgenehmigung war vom VGH wegen versäumter Fristen abgewiesen worden. Weil der VGH aber die entscheidende 3. Teilgenehmigung für rechtswidrig erklärt hat, empfahl Diez der Firma Siemens den umgehenden Ausstieg aus der Atom- und Plutoniumwirtschaft. Die 3. Teilgenehmigung betreffe das Herzstück der neuen Anlage zur Fertigung von Mischoxyd (MOX-)Brennelementen aus Uran und Plutonium (Assemblierungsraum).
Nachdrücklich untersagte der VGH der Firma Siemens – selbst im Falle einer Revision durch das Land Hessen –, die Anlage in Betrieb zu nehmen. Für die Landesregierung erklärte der stellvertretende Regierungssprecher Georg Dick (Die Grünen), das Urteil werfe ein bezeichnendes Licht auf die dubiose Genehmigungspraxis der CDU/FDP- Vorgängerregierung. kpk
Foto: J.H. Darchinger
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