Ist ein Polizist immer im Amt?

■ Prozeß gegen Kripobeamten um Prostitution und Schmiergeld

Hat Kriminalhauptmeister Diethard P. Schmiergelder genommen? Warnte er eine Prostituierte vor polizeilichen Kontrollmaßnahmen? Wußte der Beamte von ihrem illegalen Aufenthalt in Hamburg?

Drei zentrale Fragen einer gestrigen Berufungshauptverhandlung vor dem Hamburger Landgericht, die abermals nicht geklärt werden konnten. Im November vergangenen Jahres war der 55jährige freigesprochen worden. Es war nach Auffassung des Gerichts nicht zu beweisen, daß der Beamte Geld von der Prostituierten Angelika R. genommen und auch nicht, ob er sie vor seinen Kollegen gewarnt hatte.

Den illegalen Aufenthalt von Angelika R. ließ man damals unter den Tisch fallen, man hielt ihn nicht für relevant. Doch genau dieser Punkt rechtfertigte für die Staatsanwaltschaft die Berufung. Denn: Wußte Diethard P. von dem illegalen Status der Frau, hätte er sich der Strafvereitelung im Amt schuldig gemacht hat - auch wenn er es nur „privat“ wußte. Nach dem Motto: Ein Beamter ist immer im Dienst.

Die heute 45jährige Angelika P. kam 1973 nach Europa. Sie ist die Tochter eines brasilianischen Bauern und hat 15 Geschwister. Sie reiste durch Europa, arbeitete eine zeitlang als Näherin. Irgendwann kam sie in Hamburg in Kontakt mit der Prostitution, hatte plötzlich viel Geld, das sie nach Brasilien schickte. Dort erzählte sie, sie arbeite als Dolmetscherin. Eines Tages lernt sie den Polizisten P. kennen, hat sieben Jahre lang eine Beziehung mit ihm. Diethard P. ist Kriminalbeamter in einer Sondergruppe, die sich mit Zuhälterei und Prostitution beschäftigt. Sie schenkt ihm teure Kleidung und Schmuck. 1988 reist Angelika R. nach Brasilien, um für ihr „Geschäft“ ein junges Mädchen zu finden: Claudia B. Der damals 16jährigen erzählt sie, daß sie ihr zu einer Ausbildung verhelfen wolle. Claudia kommt mit, wird zwei Jahre zur Prostitution gezwungen. 1990 fliegt der Laden auf, Angelika R. muß für über ein Jahr ins Gefängnis. Offenbar glaubt sie, ihr Ex-Liebhaber habe sie verraten und zeigt ihn an, von ihr Schmiergelder genommen zu haben sie. Heute ist Angelika R. in Belgien auf, aber unauffindbar.

Der Angeklagte mochte sich zu keiner der aufgeworfenen Fragen äußern. Der Prozeß wird übernächste Woche mit der Vernehmung eines Zeugen fortgesetzt.

Andrew Ruch