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■ Sommertheater: Alvaro Restrepo über sein neues Stück

“Atanor“ ist der Schmelztiegel, in dem einst Alchemisten den Stein des Weisen oder profaner: Gold kochen wollten. Das kolumbianische Ensemble Atanor Danza aus Bogota verschmelzt hier und heute Tanztraditionen unterschiedlichster Herkunft zu Tanzereignissen besonderer Art.

Mittelpunkt von Atanor Danza ist der Tänzer und Choreograph Alvaro Restrepo, der mit seiner Solo-Performance Rebis im vergangenen Jahr den Pegasus-Preis des Sommertheaters erntete. In diesem Jahr stellt der Kolumbianer sein Stück La Enfermedad del Angel (Die Krankheit des Engels) vor.

Entwickelt hat er La Enfermedad aus Erfahrungen mit seinem autistischen Bruder, dessen Lebenswelten er nachspürte. Gleichzeitig sah sich Restrepo auch in Heimen und Kliniken für Autistiker um und beobachtete die höchst unterschiedlichen Verhaltensweisen der Menschen, die an dem von manchem Mediziner auch als „Krankheit der Engel“ bezeichneten Phänomen leiden. Keineswegs aber wolle er die Welt seines Bruders illustrieren oder imititieren, erläuterte er gestern. Ausgehend von dem autistischen Zustand des „nicht in der Welt“-Seins hat sich Restrepo in seiner neuen Produktion mit der Kindheit im Allgemeinen auseinandergesetzt, mit dem Verlust der Unschuld und dem Moment, in dem ein Kind zu begreifen beginnt, daß es einmal sterben wird. Und anders als die magisch-archaische Inszenierung Rebis, die Restrepo mehr den Elementen Erde und Feuer zuordnet, spiegeln sich in La Enfermedad eher die Elemente Wasser und Luft. Als Gegenpart auf der Bühne hat sich Alvaro Restrepo den 7jährigen Pedro Figueroa ausgesucht. Das sei zunächst ein großes Risiko gewesen, so Restrepo, aber der Kleine habe sich mit großer Ernsthaftigkeit in die Arbeit gestürzt und seine ganz eigenen Visionen der Szenen entwickelt, die mitunter begleitet sind von der Musik Arvo Pärts und von Johann Sebastian Bach.

Alvaro Restrepo, der mit 24 Jahren den Tanz als Passion für sich entdeckte, studierte in New York bei Kapazitäten wie Martha Graham und Merce Cunningham. Inzwischen bildet der 35jährige — neben seinen eigenen Produktionen und Auftritten — selbst auch Nachwuchs aus. Er ist der Leiter der ersten Schule für zeitgenössischen Tanz in Kolumbien. In einem großzügigen Gebäude in Bogota lernen zur Zeit bereits 300 Schüler, und wenn die Schule im nächsten Jahr offiziell ihren Lehrbetrieb aufnimmt, sollen hier etwa 1000 junge Leute ausgebildet werden. Als künstlerischer Leiter legt Restrepo dabei Wert auf interdisziplinäres künstlerisches Arbeiten, und er will seinen Zöglingen gleichzeitig auch das Rüstzeug mitgeben, das notwendig ist, um sich auf dem internationalen Kultur-Markt bewähren zu können. jk

heute und bis einschließlich 7. August, K 2, 19.30 Uhr