Gruft-Mucken-Relikte

■ Horst Petersens „Mastino“ produziert neues Material

Ihre neue Platte wird Heimatfront heißen. Doch die Musik kommt nicht aus der rechten Ecke, sondern von der Hamburger Hip-hop-Band Mastino. Diese Gruppe gehört zu der hanseatischen Posse, die deutschen HipHop für möglich hält und die die Aufgabe des Punkrocks übernahm, mittels aktueller U-Musik politische Agitation zu betreiben. Die fünf Hunde samt Herrchen Horst Petersen, die momentan zwischen Petersens Wohnzimmerstudio und anderen Örtlichkeiten an der neuen Produktion arbeiten, fabrizieren nur Material, das den Sticker p.c. tragen kann.

Alle drei bislang veröffentlichten Produkte tragen explizit linke Lyrics vor: die 92er Maxi In die Klinge, die 93er EP Angst erigiert und die CD Brüder und Schwestern. Die Texte, wie die Musik komplett von Petersen, schwankten bislang zwischen politischer Message - wie sich das für HipHop gehört - und ureigensten Assoziationen aus dem Petersen'schen Universum.

Auf der neuen Maxi, die im Oktober bei L'Age D'Or erscheinen soll, kommt eine neue Facette des Lebens hinzu: die der Liebe. Denn in dem Stück „City ohne Gnade“ „geht es um einen Sänger, um Frauen, um Männer und Rosenverkäufer aus Pakistan.“ erzählt Horst Petersen. Das Thema Liebe ist für Mastino absolut neu. „Das macht aber Tobias“ drückt sich Petersen um dieses heikle Feld der Geschlechter. Tobias Gruben, sein alter Mitstreiter aus der Band Die Erde, sang schon auf Brüder und Schwestern mit. „Wir hatten uns ja lange gemieden, und es hat mich unheimlich gewundert, daß er einen Text von mir singt.“ resümiert Petersen den alten Streit .

Die beiden anderen Stücke der neuen Maxi entsprechen dem gewohnten Genre: „'Viel Wind in Hamburg' ist ein ziemlich schneller Hardcore-Track“ erklärt Petersen, „sehr kulturpolitisch“. Das Titelstück setzt sich mit dem neuen Nationalismus auseinander. „Heimat ist ein blutiger Schoß, Heimat ist ein Samenerguß. Heimat ist die Nähe, die dich trifft, wo Vater dich schlägt, wo Mutter dich verrät.“

Petersen weiß, worüber er da textet. Er arbeitet als Lehrer an einer Schule für Mädchen aus Frauenhäusern und für minderjährige Mütter. Er ist genau das, was man sozial-engagiert nennt, ohne den peinlich-pädagogischen Anstrich gleich mit verinnerlicht zu haben. Doch der 41-jährige entspricht nicht dem Bild, das man von einem deutschen HipHopper gemeinhin hat. Er wohnt zusammen mit seiner Frau und den zwei gemeinsamen Töchtern in einem kleinen Häuschen in einer besseren Gegend von Hamburg. Er selbst zählt sich zur Generation der Nach-68er.

Er denkt zwar eindeutig antifaschistisch, trotzdem läßt er Widersprüchlichkeiten zu: „Ich mache politische Texte nicht mit dem Hintergedanken, daß sie Anleitung zum Handeln oder Agitation“ sein sollen. „Bei all diesen Themen wie Rassismus gibt's auch Sachen, die mir unklar sind. Das versteck ich dann nicht. Das ist für mich auch ein politisches Statement. Wir sind doch in einer Zeit, wo man keine Endgültigkeiten haben kann.“

Bei soviel inhaltsvollen Lyrics tut es weh, wenn es zwischen dem musikalischen und dem textlichen Rhythmus nie so ganz klappen will: Bislang holperte es bei Mastino ab und an. Petersen führt das zurück auf seine „Gruft-Mucken-Relikte“. Die neue Maxi soll „grooviger und noch HipHop-orientierter“ werden, verspricht er. Denn er glaubt, „für HipHop-Fans sind wir zuwenig HipHop, für Leuten, die Rock und Indie hören, sind wir es zuviel.“ Petersen hat sich entschieden, „die Grätsche“ zu wagen zwischen jugendlicher Musikform und Texten, die eher seine Generation ansprechen. Sein Motto: „Meine Zielgruppe bin ich.“ Und auf die Frage, ob HipHop denn nicht überholt ist, antwortet er keck: „Das ist für mich keine Frage. Rock gibt es noch viel länger.“ Greta Eck