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Keine Duldung für Kriegsflüchtlinge

■ Interne Weisung der Innenverwaltung: Ausgenommen sind nur bosnische Flüchtlinge / 10.000 von Abschiebung bedroht

Die Innenverwaltung hat auf ihre Weise den Krieg in weiten Teilen Restjugoslawiens für beendet erklärt. Mit Weisung vom 28. Juli hat die Behörde angeordnet, daß ein Großteil der Bürgerkriegsflüchtlinge keine weitere aufenthaltsrechtliche Duldung mehr bekommt und zur Ausreise aufgefordert wird. Betroffen von dieser Weisung, die mit sofortiger Wirkung gilt und von der Innenverwaltung als „Klarstellung“ umschrieben wird, sind nach ersten amtlichen Berechnungen rund 10.000 in Berlin lebende Flüchtlinge aus Kroatien, Serbien und Slowenien.

„Von den Neuantragstellern“, so heißt es in der sechs Punkte umfassenden Weisung, „erhalten nur noch bosnische Staatsangehörige Duldungen. (...) Bereits erteilte Duldungen werden bei Ablauf der Gültigkeit nicht mehr verlängert.“ Ausnahmen von dieser Regel will Berlin nur für zwei Gruppen gelten lassen: für alle Bosnier und für Kroaten, die vor dem Stichtag 23.5. 1992 nach Deutschland eingereist sind. Alle anderen erhalten von der Ausländerbehörde am Waterlooufer jetzt die Aufforderung in den Paß gestempelt, daß sie binnen einer Frist von ein bis drei Monaten ausreisen müssen.

Daß die Flüchtlinge dann auch tatsächlich in ihre Heimat zurückkehren, scheint man jedoch selbst im Innensenat nicht recht zu glauben. Punkt sechs der Weisung nimmt denn auch die wahrscheinlichste Konsequenz dieser Anordnung vorweg: Flüchtlinge, denen künftig keine Duldung mehr erteilt wird, können eine „eventuell behauptete Rückkehrunmöglichkeit“ im Verfahren vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge nachweisen – ein ebenso so zeitraubendes wie unsinniges Procedere, das die Verantwortung für die Flüchtlinge nun auf den Bund abschiebt. Die Innenverwaltung kann sich damit rühmen, rund 10.000 potentielle neue Asylbewerber geschaffen zu haben.

Situation paradox: Begründet wird die neue Weisung mit der neuen Rechtslage, die der „Asylkompromiß“ geschaffen hat. Nur sollte der die Asylstatistiken eigentlich nach unten drücken. Im Gegenzug zur Änderung des Asylgrundrechtes hatte sich die große „Asylallianz“ in Bonn auf einen neuen Paragraphen im Ausländergesetz geeinigt, der den Bürgerkriegsflüchtlingen einen einheitlichen und gesicherten Status außerhalb des Asylverfahrens schaffen sollte. Die Crux dabei: Der neue Paragraph setzt einen einvernehmlichen Beschluß von Bund und Ländern voraus, für welche Flüchtlingsgruppen er gelten soll. Bisher jedoch gibt es von keiner Seite Bemühungen, zu einer solchen Einvernehmlichkeit zu kommen.

Auch Berlin hat bisher keinen solchen Vorstoß unternommen. Gleichzeitig beruft man sich aber nun darauf, daß man „aufgrund der neuen Rechtslage“ die bisherige „Berliner Linie“ korrigieren müsse. Die bisherige Praxis, festgeschrieben in einer Weisung vom November letzten Jahres, sah zwar keinen generellen Abschiebstopp für Kroaten, Serben oder Slowenen vor, aber immerhin eine Duldung aufgrund von „Abschiebehindernissen“. Solche Abschiebehindernisse will man nun in der Innenverwaltung nicht mehr sehen. „Laut Mehrheitsmeinung“, erklärt der zuständige Referatsleiter und Verfasser der Weisung, Lutz Voß, „ist in Kroatien eine Bürgerkriegssituation nicht mehr gegeben.“

In der Sozialverwaltung stößt die Weisung der Kollegen vom Innenressort auf Kopfschütteln und Sorge. Ein Teil der Flüchtlinge, so die Prognose, würde damit in die Illegalität gedrängt. Die bezirklichen Sozialämter wären dann weder zur Unterbringung noch zur Zahlung von Sozialhilfe verpflichtet. Ein weiterer Teil würde sich – gezwungenermaßen – in aussichtslose Asylverfahren retten. Diese Flucht ins Asylverfahren stellt jedoch die Betroffenen und die Berliner Verwaltung auch vor gravierende Probleme: Die Flüchtlinge müßten mit einer zwangsweisen Umverteilung auf andere Bundesländer rechnen, auch wenn sie hier seit Monaten bei Verwandten untergekommen sind. Vera Gaserow

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