■ Zum Anschlag auf ein türkisches Restaurant
: Diesmal Köln?

Die junge Frau, die am Tag nach dem Kölner Brandanschlag ihr zerknirschtes Bekenntnis vor der Brandstätte plakatierte, muß sich – für dieses Mal zumindest – nicht schämen, Deutsche zu sein. Auch der grölende Männertrupp, der vor dem Ausbruch des Feuers in der Nähe des Tatortes bemerkt worden sein soll, steht mittlerweile außer Verdacht. Es war der Sohn des türkischen Restaurantbesitzers, der den Brand legte und zur Verschleierung seiner Täterschaft auf die Schlüssigkeit der neudeutschen Indizienkette kalkulieren durfte: ein Brand in einem von Ausländern bewohnten Haus, ein Hakenkreuz an der Wand, ein neuer rassistisch motivierter Anschlag in Deutschland. Wo ausländerfeindliche Gewalt zur Regel geworden ist, läßt sich darunter schon mal die Ausnahme subsumieren: „Diesmal Köln“ – ein Versicherungsbetrug?

Die abrufbare Zerknirschung der jungen Frau und die Kalkulation des Täters gehören zusammen. Denn in der Bundesrepublik gibt es nicht nur das ausländerfeindliche Ressentiment sowie die dazugehörige Verdrängung und Verschleierung ausländerfeindlicher Gewalt, sondern auch ihr Gegenteil: eine mit den Exzessen von Rostock, Mölln und Solingen heftig beförderte Erwartungshaltung, die leicht auch dort häßliche Deutsche ihr Unwesen treiben sieht, wo nichts dergleichen stattfindet. Wahrnehmung und Projektion liegen auch hier dicht beieinander. Davon glaubte der Täter profitieren zu können.

Doch die Aufforderung, künftig in Ruhe und genau hinzusehen, wo alles längst klarzuliegen scheint, ist eine eher bescheidene Folgerung aus dem Geschehen. Auch die Erleichterung, daß in Köln nicht die Kette fremdenfeindlicher Anschläge fortgesetzt wurde, hält kaum lange vor. Denn die Irritation, die der neu-andere Fall hervorrufen mag, könnte allzu teuer erkauft sein.

Wo es zu Pogromen kommt, ist die Interpretation der Täter nicht weit, die Opfer seien selbst schuld. Die Tat des jungen Türken wird künftig nicht nur dafür instrumentalisiert werden, auch dort Zweifel an ausländerfeindlicher Täterschaft zu nähren, wo die Rekonstruktion Zweifel nicht zuläßt. Der Kölner Anschlag, bei dem ein potentielles Opfer zum Täter wurde, indem er Deutsche belastete, wird auch den ausländerfeindlichen Ressentiments neue Nahrung geben. „Sie hatten eigentlich keine Feinde“, lautete am Tag nach dem Brand, als die Hintergründe noch nicht bekannt waren, die stereotype Floskel der deutschen Nachbarschaft über die betroffene Familie. Das dürfte, nach der Aufklärung, anders sein. Matthias Geis