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Roma-Kinder: nicht kriminell, sondern arm

■ Viele Familien haben kein Geld für Nahrung und Medizin Von Sannah Koch

Sie sind hungrig, schmutzig, unzureichend gekleidet, haben kein Zuhause und betteln – doch statt Mitleid ernten sie oft nur Schläge und Tritte. Bettelnde Romakinder sind inzwischen auf vielen Hamburger Straßen präsent: Sie zupfen Passanten an den Kleidern oder versuchen mit kläglichen Tönen aus der Ziehhamonika ein paar Groschen zu erobern.

Mit ihnen bekam ein aktuelles Phänomen ein Gesicht: Armut und Verelendung, wie wir sie bislang nur aus der sogenannten Dritten Welt kennen. „Machen Sie um Himmels Willen aus armen Menschen keine Kriminelle“, bat Rudko Kawcynski, Vorsitzender der Hamburger Rom & Cinti Union (RCU) gestern Pressevertreter. Er erinnerte daran, daß Betteln hierzulande nicht als strafbares Vergehen gilt.

Den Roma-Kinder zu helfen, hat sich ein von der Hamburger Jugendbehörde unterstütztes Pilotprojekt der RCU, die „Roma-Kinderhilfe“, seit Anfang des Jahres zum Ziel gesetzt. Doch bereits jetzt muß Dunja Rösteholm, eine Straßensozialarbeiterin des Projektes, bekennen: „Ich bin total frustriert und resigniert.“

Täglich ist sie mit ihrem Kollegen im Wohnmobil unterwegs, um die bettelnden Kinder aufzuspüren und sie mit Essen, Kleidung und einer Dusche zu versorgen. Doch dabei stoßen sie auf Probleme, vor denen die Streetworker mit ihrer dürftigen finanziellen Ausstattung kapitulieren müssen: „Der Anteil der Roma, die aufgrund des neuen Asylrechts illegal in Hamburg leben, wächst stetig“. Und damit wächst auch die Not: Flüchtlinge, die aus Angst vor der Abschiebung oder der Umverteilung auf andere Bundesländer abtauchen, verlieren ihren Anspruch auf Sozialhilfe und ärztliche Hilfe.

„Die Roma-Frauen sind so arm, daß sie nicht einmal Geld für Babynahrung oder Medikamente haben“, schildert die Sozialarbeiterin. Häufig würden Familienväter ausgewiesen, ohne daß ihre Frauen etwas über deren Verbleib erführen, häufig hätten sie und die Kinder dann nicht einmal mehr Pässe.

Keine der von den SozialarbeiterInnen betreuten 65 Familien mit rund 200 Kindern habe professionell gebettelt, sondern nur um die vorübergehende Krisensituation zu überbrücken, betont Rösteholm: „Entgegen aller Vorurteile ist Bettelei keine Roma-Tradition, sondern eine Überlebensstrategie.“ Die vielen Kindern täglich Pöbeleien, Ohrfeigen und Tritte einbringt.

„Um die größte Not zu lindern, brauchen wir außer mehr Toleranz auch unbedingt Spenden, Kinderkleider, Babynahrung und Windeln“, so Kawcynskis dringliche Bitte. Ulrich Vieluf, Sprecher der Jugendbehörde, betont, daß den Roma unabhängig vom Rechtsstatus „aus humanitären Gründen“ geholfen werden müsse. Dafür benötige man aber ein unbürokratischeres Hifesystem. Spenden an: Bankhaus Fischer, BLZ 201 106 00, Kto. 0010321016, Stichwort: RCU-Kinderhilfe. Projekt-Telefon 319 42 49

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