Die gelbe Post macht sich dünn

■ Auf dem Land sollen private Postagenturen eingerichtet werden / Schließung von Schalterhallen auch in den Städten

Freiburg (taz) – Die „gelbe Post“ will 1996 schwarze Zahlen schreiben. Weil sie aber im letzten Jahr noch 700 Millionen Mark Minus einfuhr, ist jetzt eine radikale Abmagerungskur angesagt. Einsparungen in Höhe von jährlich 1,8 Milliarden Mark soll das neue „Briefkonzept 2000“ bringen; ein neues „Frachtkonzept“ soll im Paketbereich verlorengegangene Kunden durch besseren Service zurückgewinnen.

In beiden Fällen will die Post ihre Lieferungen auf direkterem Weg als heute noch zum Kunden bringen. „Bisher wurde etwa ein Paket bis zur Auslieferung neunmal angefaßt. Wir wollen das nun auf dreimal verringern“, erklärt ein Postsprecher. Dafür will die Post 7,3 Milliarden Mark für 83 neue Briefverteilanlagen und 33 Frachtumschlagszentren investieren.

Rund 33.500 Planstellen sollen dadurch eingespart werden. Wegen der vielen (vor allem weiblichen) Teilzeitkräfte sind sogar rund doppelt so viele Jobs betroffen. Die Post hat angekündigt, daß sie den Stellenabbau durch die natürliche Fluktuation und eine Vorruhestandsregelung für Beamte bewerkstelligen will.

Die dritte Komponente der neuen Poststrategie ist ein neues „Schalterkonzept“. Zur Disposition steht dabei auch das Netz der rund 23.000 Postämter, deren Auslastung in den letzten zwanzig Jahren um rund 30 Prozent gesunken ist – vor allem durch den stetig gewachsenen bargeldlosen Zahlungsverkehr und weil viele Firmen ihre Post nicht mehr am Schalter einliefern.

In Städten mit mehr als 20.000 Einwohnern will die Post eine ihrer Meinung nach bestehende „Überversorgung“ abbauen. Sie verweist auf einen bürgerfreundlich gemeinten Bundestagsbeschluß aus dem Jahre 1981, wonach jeder Bundesbürger im Umkreis von zwei Kilometern ein Postamt vorfinden müsse. Die Schließung von Schalterhallen soll vor allem Mietkosten einsparen; das Personal wird in die verbleibenden Filialen umgesetzt. „Dort erweitern wir zum Ausgleich die Geschäftszeiten und öffnen in Stoßzeiten zusätzliche Schalter“, verspricht der Postsprecher.

In Kommunen mit weniger als 20.000 Einwohnern prüft die Post die Einführung privater Postagenturen. Ein „mindestens einjähriger“ Großversuch hat bereits am 1. August begonnen. Bis Ende des Jahres sollen rund 500 Agenturen als Vertragspartnerinnen gewonnen werden – vor allem Lebensmittelläden, Reisebüros und Autohäuser. Die Kosten der Post reduzieren sich dabei gegenüber einer einschaltrigen Poststelle um etwa die Hälfte.

Die Post erwartet, daß die Kunden den Wandel akzeptieren, vor allem wegen der längeren Öffnungszeiten. Nach Postangaben sind 96 Prozent der üblichen Leistungen auch bei den Agenturen erhältlich. Nicht möglich sind telegrafische Postanweisungen, Postlagerung und die Ausstellung von Postsparbüchern.

Grundsätzlich sollen die Agenturen während des Modellversuchs keine Poststellen ersetzen. Erfahrungsgemäß aber geht die Eröffnung einer Agentur mit der Schließung der örtlichen Poststelle einher. „Das ist Zufall“, behauptet der Postsprecher. Außerdem seien viele Kleinpostämter ohnehin nicht zu retten: „Wo die Auslastung fehlt und ein Posthalter in Ruhestand geht oder unsere Räume gekündigt werden, machen wir sofort dicht.“

Wie viele der kleinen Poststellen dem Agenturkonzept letztlich weichen müssen, hängt wesentlich von der Zusammenarbeit von Postdienst und -bank ab. Nach der Aufspaltung der Post in drei Einzelunternehmen infolge der ersten Postreform war es zu scharfem Streit darüber gekommen, wieviel die „gelbe“ von der „blauen“ Post für die Benutzung ihrer Schalter verlangen darf. Ohne die Postbankgeschäfte, die im Schnitt 38 Prozent der Transaktionen ausmachen, kann sich die Post jedenfalls kaum in der Fläche halten. Nach einem Worst-case-Szenario würden dann nur 1.200 der 23.000 Postämter verbleiben.

In Bonn scheint man inzwischen aber eingesehen zu haben, daß die rigide Trennung der beiden Bereiche ein Fehler war. Im Ergebnispapier der Postreform-II-Verhandlungsrunde schreiben Regierung und SPD: „Die Zusammenarbeit von Post und Postbank wird gesichert.“ Auch bei den Agenturen ist die Postbank voll dabei. Christian Rath