: Kunstschachernde
■ Heiko Schiers „Wer hat Angst vor Rotgelblau“ im Kino 46
Künstler im Film - das sind weltferne Grübler, sind weltgewandte Lebemenschen, Ekstatiker, Egomanen und Neurotiker, kurz: Nervtöter und Schrillheimer allemal, aber stets ganz wunderbare. Hier nun sind sie einmal (!) alle versammelt, in einem Farbfilm von Heiko Schier: „Wer hat Angst vor Rotgelblau“ (1991) ist ein praktischer Katalog, der die handelsüblichen Künstlerbilder auflistet und auch anschaulich illustriert. Ein Film also, wie geschaffen, um damit eine Reihe z.B. über „Künstler im Film“ anzufangen, was das heimische Kino 46 heute abend auch tut.
Nicht umsonst hört sich das Wörtchen „Künstlerfilme“ so herzlich verstaubt und vertrocknet an. Von vorgestern scheint zumindest das Kunstverständnis vieler Regisseure, die sich dieses Subgenres bemüßigten. Da hat's „Hommagen“ an Künstlergrößen, vor Ehrfurcht erstarrend; didaktische Lehrfilme darüber, wie ein Maler eben so malt; oder Sozialklamotten über Glanz & Elend, Aufstieg & Fall etc. Das Kino 46 hat für seine Reihe einige Ausnahmen aus diesem langweiligen Repertoire gefunden, z.B. Derek Jarmans ebenso spröden wie überwältigenden „Caravaggio“-Film. Heike Schiers Beitrag zählt nur bedingt zu den Ausnahmen.
Nicht, daß Schiers Schauspieler nicht ihr bestes gäben, um die Klischees zu füllen. Mit herzhafter Großkotzigkeit gibt uns Gunter Berger das Malergenie, Typ Neuer Wilder. Anrührend wiederum Max Tidof, der den kleinen, talentfreien Jungkünstler spielt, ganz die verzweifelte Existenz. Aber zum richtigen Leben erwacht der Film erst dort, wo er sich von den Künstlern abwendet: Die Musen, Modelle, Freunde, Galeristen und Sammler und auch die schlichten Kunstbetrachter tauchen in Schiers Kunstfilm oft und unvermittelt auf.
Nicht nur als Randfiguren: Die Schacherer und die Liebhaber, sie tragen - so lautet die nicht ganz neue Erkenntnis - ebenso zur Kunst bei wie die Künstler selbst. Da ist es konsequent, wenn Schier im letzten Filmdrittel vom Künstler auf sein Modell umschwenkt. Die betrogene Muse als Rächerin, die ihre Porträts eigenhändig zerschlitzt - das ist für einen „Künstlerfilm“ allerdings unerhört. Zumal die Täterin davonkommt. Schier bestraft sie nicht, zeigt ihr Werk nicht als Sakrileg, sondern als einen Akt neuerlichen Kunstschaffens.
Daß die Kunst solche Leidenschaften entzünden kann - auch das ist, leider, bloß ein Filmklischee.
Thomas Wolff
„Wer hat Angst von Rotgelbblau?“, bis 17.8. im Kino 46, jeweils 20.30 Uhr. Es folgen: „Imago - Meret Oppenheim“, „Georg Grosz in Amerika“, „Caspar David Friedrich - Grenzen der Zeit“, „Caravaggio“ sowie ein „Warhol Special“ am 29.8. im neuen Museum Weserburg.
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