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Die Politik im Schrank versteckt

■ Richard Wake zeigt „Das Kapstadt Projekt“ im Künstlerhaus am Deich / heute Eröffnung & Performance

Daß ein Künstler seine Arbeit persönlich nimmt, ist an sich nichts Eigenartiges. Bei Richard Wakes Thema aber fällt es schwer, nur den Künstler zu sehen und nicht auch sein gesellschaftliches Umfeld. Wake stammt aus Südafrika, und Kapstadt ist das Motiv seiner jüngsten Arbeit. Im Gastatelier des Bremer Künstlerhauses am Deich entstand seine Installation „Das Kapstadt Projekt“. Es spiegelt die persönliche Auseinandersetzung mit der Stadt, dem Land und seinen Paradoxien. Und ist doch mehr als eine Selbstdarstellung: Wenn es um Südafrika geht, dann findet die Politik doch immer einen Weg ins Bild. Und das bekommt der Kunst, ob sie nun will oder nicht.

Vor genau 20 Jahren hat Wake seine Heimat verlassen, Richtung Bundesrepublik. Erst in den letzten Jahren reist er gelegentlich wieder nach Südafrika. Zur „Aufarbeitung von Vergangenheit und Gegenwart“, wie er sagt. Aber sein persönliches Interesse kreuzt sich dort immer wieder mit der Tagespolitik. Als Wake sein Kapstadt besuchte, wurde gerade der Bürgerrechtler Hani ermordet. Sowas hinterläßt Spuren auch in der Kunst.

Aber Wake zeigt nicht das lodernde Feuer über der Stadt, sondern ein paar Sack Grillkohle. So stehen sie nun im lichten, reinweißen Raum im Künstlerhaus. Verschnürt und zugenäht, nur auf der Packung züngeln ein paar Foto-Flämmchen. Solche Verwandlungen gehören zu den Stärken Wakes: mit lapidarer Geste das Große darzustellen, dazu noch mit banal anmutendem Material.

Wakes Heimat aber ist nicht nur Kapstadt, sondern auch der Tafelberg vor en Toren der Stadt. „Wenn es um Kapstadt geht, dann immer auch um den Berg“, sagt Wake. Es ist der Ort der Selbstbefragung und -erfahrung; vor allem bietet das 1000 Meter hochgelegene Plateau Distanz zum täglichen Wahnsinn der Rassendiskriminierung. „Ich habe, seit meiner Auswanderung vor 20 Jahren, immer wieder Nachbildungen dieses Berges gemacht“, sagt Wake; „jetzt gibt es auch eine Bremer Version.“ Das klingt nun eher trocken. Und tatsächlich hat Wakes Bergpanorama, samt Stadtlandschaft, nun gar nichts mit der hierzulande üblichen, ans Mythologische grenzenden Berg- Verehrung zu schaffen. Der Grillkohlenstadt stellt Wake einen Berg aus Möbeln gegenüber: Drei ausgediente Kleiderschränke, von ebensolchen Kommodenspiegeln bekrönt, bieten hier die Vorstellung jenes majestätischen Gebirgszuges.

Stühle und Tische gehören längst zum Repertoire von Wake, wie u.a. auf der 89er Breminale zu erleben war. Sie laden ein zur Benutzung, manche tragen bereits die Spuren des Gebrauchs. So mögen die verfremdeten Möbel zwar auf persönlichen Erfahrungen des Künstlers beruhen; immer schwingt aber die Aufforderung an die Betrachter mit, über eigene Standpunkte oder Handlungen nachzudenken.

Das funktioniert umso leichter, als Wake gern auf Gegenstände des Alltags zurückgreift, um seine seine existenziellen Themen handhabbar zu machen. Der grandiose Berg ist hier bloß ein zernarbtes Stück Möbel (ein altehrwürdiges zwar), aus dem wie von fern Musik klingt - der Singsang der Kap-Malaien, und schon wird der Schrank wieder zur Landschaft, die Kohle zur Stadt. Dieses Spiel, zwischen dem tonnenschwer symbolischen Objekt und unserer Vorstellung von Kapstadt und den politischen Konnotationen zu springen, hält Wake in seiner Installation beständig in Gang. tom

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