: Wilhelm gewinnt
■ Senat setzt sich durch: Grotewohl- wird wieder zur Wilhelmstraße
Ein ungeliebter SED-Politiker sollte weg und ein König wieder zu Ehren kommen. Soweit die Idee des Senats. Also ordnete die Landesführung an: Die Otto-Grotewohl-Straße am Brandenburger Tor wird umbenannt. Der Sozialdemokrat, der 1946 dem Kommunisten Wilhelm Pieck die Hand zur Gründung der SED gereicht hatte, möge aus dem Straßenbild verschwinden. Wilhelmstraße, wie früher, sollte wieder her ins Zentrum der Stadt, benannt 1706 nach dem Kronprinzen, dem späteren König Friedrich Wilhelm I.
„So nicht“, sagten die Volksvertreter im Bezirk Mitte, eigentlich zuständig für Straßenbenennungen. Zwar war auch die Bezirksverordnetenversammlung gegen Otto, wollte aber auch Wilhelm nicht und beschloß schon vor dem Senatsentscheid Willy-Brandt- Straße. Für Willy müßte eine Ausnahme gemacht werden, weil in Berlin Straßen erst fünf Jahre nach dem Tod einer Person benannt werden dürfen. Davon abgesehen gilt in der Stadt als ausgemacht, daß die SPD das Vorschlagsrecht in dieser Sache hat. Von dort heißt es: „Willy kriegt keine Straße, die vorher nach so einem Verräter an der Sozialdemokratie hieß.“
Zuvor hatte der Bezirk für Toleranzstraße votiert. Dieser Beschluß habe aber international zu Gelächter geführt, hieß es vom Senat, weil im französischen Sprachraum Toleranzstraße als Pflaster für die pikante Arbeit leichter Damen verstanden werde. „So was kommt im künftigen Regierungsviertel nicht in Frage.“
Jetzt ist es amtlich: Der Senat und damit Wilhelm haben sich durchgesetzt, vom 1. Oktober an heißt die Straße wieder nach dem König. Die Landesregierung nutzte ihr Recht zum Eingriff in die Bezirksbelange auf der Grundlage des Hauptstadtvertrags. Nach Auskunft des Senats ist es das erste Mal, daß bei der Namensgebung in einen Beschluß der Bezirkspolitiker hineinregiert wird. Bis Mitte September sollen die neuen Schilder angebracht sein. Ein halbes Jahr gibt es dann eine friedliche Koexistenz des Monarchen und des SED-Mannes, wobei der alte Name durchgestrichen wird. Der ursprünglich aufmüpfige Bezirk – „Wir machen nichts bis zur nächsten Sitzung der Bezirksverordneten am 19. August“ – hat resigniert. Er will jetzt die notwendigen Vorarbeiten leisten, wozu die Umnumerierung der Häuser gehört. dpa
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