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Kunick, der tragische Held

■ Vom versuchten Wedemeier-Sturz zum Wedemeier-Wahlverein

„Zur politischen Kultur gehört auch, daß man, wenn etwas schief läuft, sich entschuldigt“, sagte der Noch-Parteivorsitzende Konrad Kunick zu Beginn seines Berichtes über die letzten Wochen der Bremer SPD. Was ist schief gelaufen? Er habe Wedemeier mit der Frage konfrontieren wollen: Willst Du es wirklich tun, die Bremer SPD auch im Wahlkampf 1995 führen, berichtete Kunick den Delegierten. Diese Entscheidung sei erforderlich gewesen. „Das war zu erörtern“, das ist „eine berechtigte Frage“, nur sei „das Verfahren schlecht gelaufen“.

Unruhe im Saal. „Rücktritt“ ruft irgend jemand. Dem Genossen Dieter Biesterveld platzt der Kragen: „Verlogen“, ruft er: „Ich würde mich schämen an Deiner Stelle.“

Die meisten der Anwesenden wissen, was Kunick verschweigt: Kunicks Forderung nach „sachlicher und personeller Erneuerung“ bedeutete, daß Wedemeier zum Rücktritt bewegt werden sollte. „Schiefgelaufen“ sei es „durch die vorzeitige Veröffentlichung eines Strategiepapiers“ eröffnet Kunick später den Delegierten. Und den Journalisten sagte er nach seinem Rücktritt, er habe Wedemeier gesagt: „Überlege es Dir genau, es wird fürchterlich“.

Kunick glaubt also nicht, daß die SPD mit Wedemeier das er

hierhin den Mann

mit Brille beim Reden

Jetzt hat er viel Zeit zum PaddelnFoto: Tristan Vankann

reichen kann, was er der Partei als Ziel formuliert: 45 Prozent oder mehr bei den nächsten Wahlen zu erreichen.

Alle im Saal, die das wußten, mußten sich fragen: Warum fordert Kunick jetzt die einstimmige Vertrauenserklärung für Wedemeier? „Es ist eine schwierige Zeit, die wir zu bewältigen haben“, versucht Kunick eine Erklärung. Wedemeier habe dem Landesvorstand in der langen Nacht von den Arbeitsplatz- Problemen Bremens berichtet. Es müsse bei den Sozialdemokraten eine „Verschwörung für 1995“ geben.

Nach seinem Rücktritt wird Kunick gegenüber den Journalisten deutlicher: „Klaus Wede

meier hat uns gesagt, daß er psychisch nicht mehr kann.“ Und eine Alternative gibt es für Kunick nicht. Vor den Journalisten wiederholte Kunick auch das Wort vom „Wedemeier-Wahlverein“, zu dem die Partei zu verkommen droht.

Kunicks letzte Hoffnung war: auf dem Halbzeitparteitag könnte die Partei den Senat auf Positionen festlegen. Aber ein durch die Kandidaten-Suche für eine Neuwahl geschwächter Vorstand kann diesen Parteitag nicht vorbereiten. „Die Verantwortung für einen gescheiterten Halbzeitparteitag übernehme ich nicht“, erklärte Kunick den Journalisten nach seinem Rücktritt. K.W.

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