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Islam und Aufklärung

■ Al-Azm: Mittler zwischen den Welten

Der Syrer Sadik Al-Azm erlangte Berühmtheit unter arabischen Intellektuellen, als er sich mit seiner 1969 in Beirut publizierten radikalaufklärerischen Kritik des religiösen Denkens eine Anklage wegen „Aufhetzung zum Konfessionshader“ einhandelte. Sein Name wurde Symbol für Aufklärung und Pluralismus, für die Trennung von Staat und Religion. Al-Azm ist aber auch ein Wanderer zwischen den Welten: Seit 1977 ist er Professor für Philosophie und Soziologe in Damaskus, seine Studien- und Lehraufenthalte führten ihn u.a. nach Yale, Princeton und ans Berliner Wissenschaftskolleg. Zur Zeit ist er am Wilson Center in Washington D.C.

In den drei Essays des vorliegenden Bandes zeigt der Autor sich ebenso als scharfzüngiger Kritiker wie als Mittler zwischen den Welten. Seine Grundthese, daß die Kluft zwischen dem christlich- westlichen und dem arabisch-islamisch orientierten Kulturraum bei weitem nicht so tief ist, wie das im Westen gern behauptet wird, vertritt Al-Azm sowohl in dem einleitenden Aufsatz über die Rushdie- Affäre als auch in dem über islamischen Fundamentalismus. In beiden Betrachtungen bedient er sich der gleichen Methode: Er zieht Vergleiche zum Westen und webt dabei die Beispiele aus den beiden Kulturkreisen immer mehr ineinander, bis die Austauschbarkeit von Begriffen und Parolen deutlich wird.

Salman Rushdies Satanische Verse vergleicht Al-Azm mit François Rabelais und James Joyce, mit Texten von Bert Brecht, Jean Genet und Federico Fellini. Rushdie stehe, so die materialreich gestützte Argumentation, in der Tradition dieser zu ihrer Zeit als skandalös und radikal gesellschaftskritisch eingestuften Literaten ebenso wie in der Folge aufgeklärter islamischer Denker. Al-Azm kritisiert heftig, daß Rushdie diese Rolle im Westen aberkannt werde, während die osteuropäischen Dissidenten hofiert worden seien.

Ebenso wehrt er sich dagegen, im Fundamentalismus ein rein islamisches Feindbild zu sehen. Detailliert legt er die Ähnlichkeiten des Islamismus mit dem christlichen Fundamentalismus dar. Dabei bezieht er sich zum einen auf die Zitate von militanten islamistischen Führern und von radikalen Fundamentalisten wie Erzbischof Lefebvre. Zum anderen zieht er Parallelen zum fundamentalistischen Syllabus moderner Irrlehren, den Papst Pius IX. 1864 herausgab. Denn Al-Azm deutet Fundamentalismus als eine Reaktion auf die unaufhaltsame Modernisierung, eine orthodoxe Reformbewegung, die in Europa deswegen früher eingesetzt habe, weil Wissenschaft, Technik und Staatsgeschichte sich schneller entwickelten.

Auf die politische Bedeutung des Fundamentalismus geht Sadik Al-Azm nicht explizit ein. Zwar sagt er an anderer Stelle, wer sich den Spielregeln entgegenstelle, die in Nordamerika, Japan und Westeuropa gemacht würden, der lande „im Mülleimer der Geschichte“. Er bezieht jedoch keine Stellung dazu, in welchem Maße der Fundamentalismus für rein machtpolitische Zwecke von Regierungen oder Oppositionsbewegungen funktionalisiert wird.

Ein Leckerbissen ist das dritte Essay Satans Tragödie. Streng logisch, rein deduktiv und gewissermaßen augenzwinkernd weist Al- Azm nach, daß Satan in Gottes Schöpfungsplan einen Platz einnimmt, der Gottes ureigenem Willen entspricht. Denn da Gott allmächtig ist, hätte er Sünde und Versuchung verhindern können, wenn er es gewollt hätte. Satan ist folglich unschuldig und wir müssen sein Bild revidieren ... Beate Hinrichs

Sadik J. Al-Azm: „Unbehagen in der Moderne – Aufklärung im Islam“. Hrsg. von Kai-Henning Gerlach, Reihe „ZeitSchriften“, Frankfurt/M.: Fischer-Taschenbuchverlag, 144 Seiten, 14,90 DM

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