: Vier Spuren illegal?
■ Klage gegen den Ausbau der Oberbaumbrücke eingereicht / Anwalt: Bauarbeiten sind illegal, weil Rechtsgrundlage fehlt
Muß die Bauverwaltung die Arbeiten an der Kreuzberger Oberbaumbrücke demnächst einstellen? Die Genossenschaft Luisenstadt, der ein Grundstück nahe der Brücke in der Falckensteinstraße gehört, will den Ausbau jedenfalls stoppen. Die beauftragte Rechtsanwaltskanzlei Gaßner, Groth & Siederer hält den vorgesehenen vierspurigen Ausbau der Brücke für den Kraftfahrzeugverkehr für rechtswidrig. Die Kanzlei hat bereits vor zwei Wochen beim Verwaltungsgericht Klage gegen den Ausbau eingereicht und einstweilige Anordnung auf Baustopp beantragt – dies der Presse aber erst gestern mitgeteilt.
Laut Mitteilung der Rechtsanwälte befürchtet die Genossenschaft durch die vier Spuren „unzumutbare und unzulässige Lärm- und Abgasbelastungen“ für die Bewohner ihres Hauses sowie für sämtliche Anwohner der Oberbaum- und Skalitzer Straße. Bereits bei einer vorsichtigen Prognose von 30.000 bis 40.000 Fahrzeugen täglich würden Lärmgrenzwerte, die bei einem Ausbau und wesentlichen Änderungen von Straßen berücksichtigt werden müssen, ganztägig um bis zu mehr als 10 Dezibel überschritten. Das würde etwa dem Doppelten der erlaubten Lautstärke entsprechen.
Die Rechtsanwälte argumentieren, daß es sich bei den Bauarbeiten entgegen der Behauptung des Senats nicht um eine Wiederherstellung einer Lücke im Straßennetz handelt. Zu keiner Zeit hätten an dieser Stelle dem Autoverkehr mehr als zwei Spuren zur Verfügung gestanden. Bei einem Ausbau aber hätte ein Bebauungsplanverfahren durchgeführt werden müssen, an dem auch die Anwohner zu beteiligen gewesen wären. Ohne einen neuen Bebauungsplan, der die zu erwartende Luftverschmutzung und die daraus folgende Belastung für die Anwohner ausdrücklich decken würde, fehle für die Bauarbeiten jedoch die Rechtsgrundlage. Und selbst bei der Wiederherstellung eines alten Zustands müßten, so die Anwälte, die Lärmgrenzwerte eingehalten werden, da ein „erheblicher baulicher Eingriff“ deshalb gegeben sei, weil der Verkehrslärm um mehr drei Dezibel steigen werde.
Bau- und Verkehrsverwaltung teilen die Auffassung der Rechtsanwaltskanzlei nicht. Bei den Bauarbeiten handele es sich nicht um eine wesentliche Änderung, weil die Brücke „im Ganzen gesehen“ nur wiederhergestellt werde, sagte Johannes Lietz, Abteilungsleiter Brückenbau der Bauverwaltung. Wolfgang Lübke, Justitiar der Verkehrsverwaltung, bezweifelt die Zulässigkeit der Klage, da die Klägerin als Stiftung keine natürliche Person sei. Außerdem werde die Verkehrsfläche auf der Brücke nicht vergrößert, sondern nur Markierungen aufgetragen, die vorher gefehlt hätten.
Kanzlei-Mitarbeiter Stefan Klinski kontert, daß Kraftfahrzeugen auf der Brücke früher weniger Fläche angeboten worden sei. Auch dürfe eine Stiftung klagen. Das Gericht soll in ein paar Wochen über einen vorläufigen Baustopp entscheiden. Dirk Wildt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen