piwik no script img

Voll daneben,mein Herr!

■ Betr.: "Das Portrait: Uta Wobit", taz vom 10.8.93

betr.: „Das Portrait: Uta Wobit“, taz vom 10.8.93

Ein gut gemaltes Portrait versucht, im Gegensatz zur Fotografie, möglichst mehr von der darzustellenden Person zu zeigen, als man auf Anhieb erkennt. Dirk Wildt hatte bei der langjährigen ADFC-Aktiven Uta Wobit auf Anhieb ihre Härten entdeckt. Ihren Rücktritt hat er nun, binnen zweier Wochen, voller Häme erst im Berliner Lokalteil und dann bundesweit ausgewalzt.

Es ist ein leichtes Spiel, einer solch kantigen Person wie Uta Wobit ungerechte Schärfen nachzuweisen. Aber wozu? Stellen wir uns einen Moment zur Seite, wie ein guter Portraitist es tut, und denken nach: Wie wichtig ist diese Schärfe im Vergleich zu dem, was um uns rum geschieht? Warum darf heute eine Mutter das, was auf unseren Straßen geschieht, nicht ähnlich überzeichnen, wie Käthe Kollwitz das Leid der Mütter im Ersten Weltkrieg?

Warum muß, wer Ökologie zur Maxime macht, gleich als Stalinist bezeichnet werden? Stalin hat Menschen auf dem Gewissen, genau das Gegenteil hatte Uta Wobit im Sinn, als sie ihr Auto abschaffte. Sie war nicht mehr bereit, ihre Nachbarn und ihre Kinder zu gefährden.

Den meisten Berliner ADFC- Aktiven ist sie inhaltliches Vorbild und wird es bleiben, auch wenn das nicht jeder Redakteur versteht. Auch ohne Uta Wobit bleibt unser Kurs klar und hart gegen die Autoflut gerichtet. Mit wachsweichen Greenpeace-„Ein bißchen Auto“- Kampagnen haben wir nichts im Sinn. Für die Berliner ADFC-

Aktiven: Axel von Blomberg,

amtierender Vorsitzender

Manche taz-Autoren scheinen Schwierigkeiten mit starken, kämpferischen Frauen zu haben: Nachdem eine Woche zuvor Jutta Ditfurth (taz vom 3.8.93) der „Randale“ bezichtigt wurde, weil sie sich mit vier männlichen Kontrolleuren auseinandersetzen mußte, muß nun Uta Wobit vom Berliner ADFC als „Öko-Stalinistin“ herhalten, weil sie die unerträgliche Luftverpestung des Autoverkehrs als „Vergasung“ ihrer Kinder empfindet. Das vermeintliche Portrait geriet zur persönlichen Abrechnung des Autors Wildt, der im Vorwurf der Verherrlichung nationalsozialistischer Massenmorde (siehe hierzu „Fehlanzeige“, taz vom 11.8.93 d.Red.) gipfelte. Voll daneben, mein Herr! Winfried Schneider,

aktiv im ADFC Düsseldorf

Na, da hat die Männerkumpanei ja tüchtig zugeschlagen! Wie sagte Golda Meir schon: Eine kluge Frau hat Millionen Feinde: alle dummen Männer.

Nachdem Uta Wobit Zweifel an der subjektiven Verkehrsberichterstattung des Autofahrers Dirk Wildt geäußert hatte, mußte er offensichtlich besonders dummdreist reagieren. Da ist von „Maggie Thatcher der Alternativen“, gar von „Öko-Stalinistin“ die Rede, nur weil Herr Wildt die von Uta aufgezeigten Zusammenhänge zwischen Autoverkehr und – unter anderem – der globalen Umweltkatastrophe nicht wahrhaben will. Schon auf der Gesundheitskonferenz im Bezirk Tiergarten (Mai 93), auf der es um die vom motorisierten Individualverkehr verursachten Gesundheitsschäden ging, verstand er die Welt nicht mehr. „Das Auto ist doch nicht an allem schuld“, war seine Reaktion auf die von durchaus nicht verbohrten oder fanatisierten Fachleuten vorgetragenen Fakten. Liebe macht ja bekanntlich blind, die Liebe zum Auto offensichtlich auch noch taub.

Dirk Wild weitet den – von Uta so nie geäußerten! – Vergleich zwischen Luftverschmutzung und Judenmord ins Unendliche aus (er scheint's nötig zu haben!). [...] Abgesehen davon, daß ihr dieser Vergleich von der taz untergeschoben wurde, um sie dann genau damit immer wieder anzugreifen, ist die Tatsache, daß sich unsere Atemluft immer mehr in ein Giftgasgemisch verwandelt nun inzwischen wirklich Allgemeingut. Selbst in der renommierten Zeit schreibt ein Autor (Artikel über Waldbrände in Südfrankreich, Zeit vom 5.8.93), daß „wir“ (Dirk Wildt sicher mehr als ich) dabei sind, die Erde in eine riesige Gaskammer zu verwandeln.

Ganz und gar verliert Wildt den Überblick, wenn er abschließend über Utas Rücktrittsgründe und die Vereinsinterna schreibt. Offensichtlich wird ganz munter nach dem Grundsatz verfahren: wer nicht dagegen ist, ist dafür. Der Dachale-Artikel ist im Verein durchaus nicht auf Zustimmung gestoßen (nur beim verantwortlichen RadZeit-Redakteur), im Bezirksrat des ADFC wurde sein Abdruck einhellig bedauert. [...] Helga Metzger, Berlin

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen