■ UNO und EG müssen Izetbegovićs Forderung unterstützen: Eine „überlebensfähige“ Republik
Selbst mit dem Sommerloch ist nicht mehr zu erklären, daß in den letzten zwei Tagen zahlreiche Medien als Neuigkeit vermeldeten, Bosniens Präsident Izetbegović habe nun die Teilung seines Landes akzeptiert. Tatsächlich tat Izetbegović dies bereits am 30. Juli, als er am Genfer Verhandlungstisch der Union dreier Teilrepubliken zustimmte. Seitdem hat er diesen Schritt in zahlreichen Interviews und Pressekonferenzen als „unvermeidliches kleineres Übel“ verteidigt – im Vergleich zur ansonsten drohenden militärischen Zweiteilung durch Serben und Kroaten. Und er hat verlangt, daß Bosnien-Herzegowina jetzt wenigstens „fair“ aufgeteilt wird und die mit 44 Prozent stärkste Bevölkerungsgruppe der Muslime eine „überlebensfähige“ Teilrepublik erhält. Trotz aller schrecklichen Erfahrungen hält Izetbegović daran fest, daß auch diese Teilrepublik „multikulturell“ sein soll, Kroaten und Serben, die wollen, dort leben können: 40 bis 50 Prozent des bisherigen bosnischen Territoriums für die künftige Teilrepublik, Eingliederung der derzeit von Serben umzingelten ostbosnischen Enklaven Goražde und Srebrenica mit immer noch knapp 200.000 muslimischen Einwohnern in dieser Teilrepublik, ein Adria-Küstenstreifen sowie direkter Zugang zum für Transportzwecke wichtigen Flug Save im Norden – die Erfüllung dieser Forderungen wären Minimalvoraussetzungen für eine überlebensfähige Teilrepublik. Doch eine Chance hätten sie nur, wenn sich EG und UNO voll dahinterstellten, anstatt Izetbegović wie bisher zur Annahme der völlig konträren Vorstellungen von Serben und Kroaten bzw. zu einem „Kompromiß“ zu drängen. Dasselbe gilt für die Hauptstadt Sarajevo, die Izetbegović als offene Stadt erhalten, Serbenführer Karadžić jedoch brutaler teilen will, als Berlin, Jerusalem oder Belfast es jemals waren. Ohne eine entsprechende Kurskorrektur von UNO und EG werden die Verhandlungen schon bald wieder genauso festgefahren sein wie in den letzten zwei Wochen. Und wieder dürfte Izetbegović zum Sündenbock gestempelt werden, wegen dessen Sturheit ein Abkommen scheitert.
Selbst wenn der Präsident dazu genötigt werden könnte, in Genf schließlich ein Abkommen auf der Basis der serbisch-kroatischen Territorialansprüche zu unterschreiben – es wäre nicht tragfähig. Schon jetzt meutern die in der Genfer Delegation von Izetbegović zahlreich vertretenen Oppositions- und Lokalpolitiker gegen die Zustimmung zur prinzipiellen Dreiteilung. Eine Territorialregelung, welche die Überlebensrechte der bosnischen Muslime nicht einigermaßen gewährleistet, ist sicheres Rezept für die Fortsetzung des Krieges sowie für muslimischen „Terrorismus“, von dem dann auch die EG-Staaten nicht verschont bleiben werden. Andreas Zumach
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