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„Die Bewerbung kann nur an uns selbst scheitern“

■ Olympia-Kandidat Berlin empfängt IOC-Chef Samaranch und verprellt die Presse

Berlin (taz) – Ginge es nach den Londoner Buchmachern, so stünde Berlin nach Sydney, Peking und Manchester unter den Bewerberstädten für die Olympischen Spiele im Jahr 2000 an vorletzter Stelle. Während Sydney mit einer Gewinnquote von 1 zu 1,3 gehandelt wird, bekäme man für jede Mark, die auf Berlin gesetzt wird, zehn Mark Gewinn.

Ginge es nach dem Chef des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Juan Antonio Samaranch, so würde sich daran nichts ändern. „Wenn die Deutschen etwas wollen, bekommen sie es normalerweise“, orakelte der ehemalige Franco-Anhänger während eines Blitzbesuchs in Berlin am Montag nachmittag. Eigentlich hätte Samaranch schon im Mai kommen sollen. Damals sagte er kurzfristig ab. Begründung: Er wollen den Olympia-Gegnern der Stadt keinen Anlaß für Demonstrationen geben. Der am Montag unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen nachgeholte Besuch war der letzte des IOC-Chefs bei den Bewerberstädten für „Olympia 2000“.

Daß es neben den befürchteten Ausschreitungen militanter Olympia-Gegner auch die Fragen kritischer Journalisten zu verhindern galt, demonstrierte die Olympia GmbH mit Nachdruck: Nur eine Schar handverlesener Medienvertreter wurde über die Geheimmission informiert, der IOC-Vorsitzende selbst bereits auf dem Rollfeld des Flughafens Tegel in einen Hubschrauber verfrachtet, um sich aus gebotener Distanz ein Bild über den Zustand der Berliner Sportstätten zu machen. Kommentar des Berliner Bewerberchefs Axel Nawrocki: „Etwas Besseres kann man nicht bieten.“

„Schotten dicht“ hieß es auch am Nachmittag bei einer Pressekonferenz im Schloß Charlottenburg. Die kritische Presse war nicht geladen, und selbst einem Kamerateam der „Tagesschau“ wurde der Einlaß mit der Begründung verwehrt, die Sportredaktion des Senders Freies Berlin decke das ARD-Kontingent hinreichend ab. Daß die Beschränkung auf die Hofberichterstattung der Berliner Bewerbung einen Bärendienst erweisen könnte, kam den pannengeschüttelten Olympia-Profis offenbar erst in den Sinn, als die zurückgewiesenen Journalisten vor den Toren ihre eigene Pressekonferenz abhielten. Meistbenutzte Worte: „Pressefreiheit“ und „Vorgeschmack auf die Spiele 2000“.

Im Gartensaal des Charlottenburger Schlosses indes sprach der IOC-Vorsitzende von der Berliner Bewerbung in Höflichkeitsformeln: „Viel Glück für den 23. September.“ Grund genug für die Berliner Bewerber, in gewohnter Manier von Aussicht auf Erfolg zu schwadronieren. An diesen Erfolg scheinen dagegen die Olympia- Gegner nicht mehr zu glauben: Nur etwa 150 von ihnen waren zum Schloß und am Abend zum Breitscheidplatz gepilgert, um gegen den Besuch des IOC-Chefs zu demonstrieren. Ob mit Erfolg oder ohne, wird sich am 23. September in Monte Carlo zeigen.

Während Olympia-GmbH- Chef Nawrocki ein gerüttelt Maß an Selbsterkenntnis an den Tag legte („Die Bewerbung kann nur an uns selbst scheitern“), verglichen die Grünen die Samaranch- Visite mit dem Schicksal der Olympia-Bewerbung Brasiliens: „In der Qualifikation ausgeschieden“. Ihr Vorschlag: Der Senat solle rechtzeitig bei den Londoner Buchmachern setzen, um so wenigstens das Haushaltsloch zu stopfen. Uwe Rada

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