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Ein Tusch für die Treuhand

Ausgewählte Alteigentümer sind mit der Breuel-Behörde hochzufrieden / 348 Millionen Mark Altschulden für 420 Betriebe übernommen  ■ Aus Berlin Annette Jensen

Die sonst viel geschmähte Treuhand wurde gestern mit Anerkennung überschüttet. 420 von 13.530 beantragten Reprivatisierungsfällen sind inzwischen vollständig abgeschlossen – vier angeblich typische Alteigentümer waren in das ehemalige Reichsluftfahrtministerium gekommen, um zu berichteten, wie die Behörde ihnen zu „freier Fahrt für freies Unternehmertum“ verhalf. Zum Beispiel Detlef Baumert: 1972 wurde der damals 29jährige von der DDR enteignet; außer ihn traf es zu diesem Zeitpunkt auch 11.000 andere Unternehmer. Sein großer Tischlerei- und Holzbetrieb wurde in ein Kombinat eingegliedert, Detlef Baumert arbeitete dort weiter als Technischer Direktor.

Kaum hatte die Regierung Modrow im März 1990 das Unternehmensgesetz verabschiedet, eilte Baumert zum Landesamt für offene Vermögensfragen und beantragte sein Eigentum zurück. Er hatte Glück, weil sein Betrieb sich ohne Probleme von den anderen Kombinatsteilen abtrennen ließ. So war er der dritte Alteigentümer, der seinen Chefsessel wieder einnehmen konnte. „Ich hatte 215 Arbeitnehmer plus 30 Lehrlinge am Hals“, berichtet er über die schwierige Anfangsphase, bis ihm der Arbeitsrichter endlich eine Massenentlassung durchgehen ließ. Heute stellen noch 120 Leute bei der Betima GmbH in Berlin Fensterrahmen, Kirchenbänke, Jalousien und Treppenstufen her. „Der Rest mußte gehen – aus Altersgründen oder weil sie sich nicht an die neue Zeit gewöhnen wollten“, schildert er seine Sicht der Dinge.

Baumerts Betrieb wurde ihm nach der sogenannten Modrow- Regelung zurückgegeben. Sie schrieb vor, daß die Firmen nicht nur mit sämtlichem Vermögen, sondern auch mit allen Altschulden übertragen werden sollten. Das seit Auflösung der DDR geltende Vermögensgesetz ist hingegen für die Alteigentümer wesentlich günstiger. Weil es eine Nachbesserungsmöglichkeit für die ganz Eiligen vorsieht, wurde Detlef Baumert bei der Treuhand, die heute für die Aushandlung der konkreten Verträge zuständig ist, vorstellig. Zweimal stellte er einen Antrag auf Ausgleich. Er bekam 1,9 Millionen Mark von der Treuhand, die er ab 1994 zurückzahlen muß. Insgesamt hat die Breuel-Behörde bei den 420 abgeschlossenen Reprivatisierungsfällen 348 Millionen Mark Schulden übernommen. Baumerts Grund und Boden ist heute größer als in den siebziger Jahren und er schreibt erstmals wieder kleine schwarze Zahlen.

Nicht immer ging die Rückgabe in ein paar Monaten vonstatten. Weil in den Siebzigern die meisten einst mittelständischen Privatunternehmen in riesige Volkseigene Betriebe (VEB) oder Kombinate eingegliedert wurden, ist oft schwer auszumachen, welche Gebäude, Maschinen, Gelder und Verbindlichkeiten zu welchem der ursprünglichen Betriebe gehören. Bis zu 40 Alteigentümer meldeten Ansprüche auf einen einzigen VEB an. Die Treuhand hat dann die Aufgabe, das Knäuel zu entwirren; Vermutungen, daß gerade in solchen Fällen viel gemauschelt wird, sind verbreitet.

Aber auch das mit heißer Nadel gestrickte Vermögensgesetz gilt heute schon lange nicht mehr. Zweimal haben die Juristen und Bundestagsabgeordneten nachgebessert: Mit dem Hemmnissebeseitigungsgesetz und dem zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz wurden nicht nur Wortungetüme in die Welt gesetzt – die Regelungen selbst sind ebenfalls äußerst kompliziert. Ziel war es, an dem Prinzip Rückgabe vor Entschädigung festzuhalten und zugleich nicht die meisten Investitionen durch ungeklärte Eigentumsfragen zu blockieren. Heute muß ein Alteigentümer innerhalb relativ kurzer Frist ein gleichwertiges Konzept vorlegen wie ein Möchtegern-Neuinvestor. Aber auch das klingt einfacher als es ist, weil viele Alteigentümer die Entscheidung der Treuhand juristisch anfechten, wenn diese negativ für sie ausfällt. Das dauert dann – und meist verliert der Investor inzwischen sein Interesse.

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