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Kali-Kumpel hungern weiter

■ Ultimatum der Kali-AG vom Tisch – Produktion soll am Montag wieder anlaufen

Bischofferode (dpa/taz) – Die Kumpel in Bischofferode bleiben hart: Die derzeit 19 Hungerstreikenden bekräftigten am Donnerstag, daß sie ihre seit fast sieben Wochen laufende Protestaktion für den Erhalt der Grube trotz Ultimatum vorerst nicht abbrechen werden. Die Mitteldeutsche Kali AG (MdK/Sondershausen) erklärte daraufhin überraschend, daß das an die Kumpel gestellte Ultimatum nach Wiederherstellung von Ordnung und Gesetzmäßigkeit auf dem Werksgelände „vom Tisch“ sei. Die Produktion werde nach Beendigung der Betriebsferien am Montag wieder anlaufen. Die Arbeiter fordern nach wie vor die Ausgliederung ihres von der Schließung bedrohten Werkes aus dem Kali-Fusionsvertrag.

Die MdK hatte Anfang August ultimativ die Beendigung der Werksbesetzung in der Grube verlangt und mit der Einstellung aller Produktionsarbeiten gedroht. Seit gestern verbrämt die Firmenleitung ihren Rückzug mit der Interpretation, der Hungerstreik sei von dem Ultimatum der Firmenleitung nie betroffen gewesen.

Die Bischofferöder Kali-Kumpel berieten am Nachmittag über das weitere Vorgehen im Arbeitskampf. Nach der EG- Entscheidung zur vertieften Prüfung der Kali-Fusion gibt es über eine Fortsetzung des Hungerstreiks im Werk offenbar unterschiedliche Auffassungen. Mittlerweile sollen einige Betriebsratsmitglieder für eine Aussetzung der Aktion gestimmt haben. „Darüber könnten jedoch nur die vierzehn Männer und fünf Frauen entscheiden, die aus Protest gegen die Gruben-Stillegung die Nahrungsaufnahme verweigern“, sagte ein Betriebsratssprecher der dpa. Überraschend kam auch der an einer Übernahme der Grube interessierte westfälische Unternehmer Johannes Peine nach Bischofferode. Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Gerhard Jüttemann bekräftigte, daß es Ziel der seit Anfang April um ihre Arbeitsplätze kämpfenden Bergleute bleibe, ihren Schacht aus dem Fusionsvertrag auszugliedern. Verärgert reagierten die Bergleute auf Äußerungen des Vorstands der Mitteldeutschen Kali AG, daß die insgesamt 1.400 Beschäftigten der von der Schließung bedrohten Kali-Gruben in Bischofferode und Merkers bei einem Scheitern der Fusion pro Person auf etwa 15.000 Mark Abfindung verzichten müßten. Dies sei ein „dreister Versuch, die Kumpel gegeneinander aufzuhetzen“, sagte Jüttemann.

MDK-Vorstandsmitglied Peter Backhaus hatte am Donnerstag einen Bericht der Stuttgarter Zeitung bestätigt, wonach die 700 Kali-Kumpel in Bischofferode im Zuge der geplanten Fusion der MDK mit der BASF-Tochter Kali und Salz AG (Kassel) pro Kopf mit einer Abfindung von durchschnittlich 20.000 Mark rechnen könnten. Käme die Fusion nicht zustande, würde auch der „fusionsbedingte Sozialplan“ nicht in Kraft treten. Dann gebe es nach dem üblichen „Sozialplan Ost“ der Treuhandanstalt nur im Schnitt bis zu 6.000 Mark.

Der Aufsichtsratsvorsitzende der MdK, Ulrich Steger, bekräftigte, daß es zur Schließung des Schachtes keine Alternative gebe. Treuhandsprecher Wolf Schöde sagte, daß die Sanierung des ostdeutschen Kali-Bergbaus die Treuhand bereits mehr als zwei Milliarden Mark gekostet habe. Parteien, Gewerkschaften, Autoren und Künstler haben unterdessen dazu aufgerufen, am Samstag an dem geplanten Aktionstag in Bischofferode teilzunehmen. Zu den Unterzeichnern des in Berlin verbreiteten Aufrufs gehörenen unter anderem die Autoren Elke Heidenreich, Stefan Heym und Stephan Hermlin sowie der Bildhauer Alfred Hrdlicka.

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