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Behördenchaos nach Großbrand

Flüsse Wupper und Schwelme durch Löschwasser vergiftet / Ergebnisse von Dioxinmessungen frühestens heute / Wuppertaler Umweltamtschef ruft zum Rußzusammenfegen auf  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Berlin (taz) – Der Großbrand einer Lagerhalle im nordrhein- westfälischen Schwelm hat gestern zu einem erheblichen Behördenchaos geführt. Von Mittag bis Redaktionsschluß saßen etwa 40 Vertreter aller relevanten Behörden im Rathaus von Schwelm zusammen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Nach dem Brand hatte sich eine schwarze giftige Wolke über die ganze Stadt Schwelm und den benachbarten Wuppertaler Osten gelegt. Nicht abgefangenes Löschwasser vergiftete die Flüsse Schwelme und Wupper. In der schwarzgefärbten Wupper kam es schon am Sonntag zu einem Fischsterben, die Schwelme hat langfristige biologische Schäden erlitten. Die Mikroorganismen im Fluß seien tot, so ein Behördenvertreter. Der Schaden des Brandes wird inzwischen auf 20 Millionen Mark geschätzt.

In Wuppertal hatte der Umweltdezernent der Stadt schon vor der Behördensitzung handeln lassen: In städtischen Schwimmbädern, auf Sportplätzen, Straßen und Wegen wurde der Ruß zusammengefegt. Dezernent Erwin Rothgang forderte die Bürger auf, auch auf ihren Privatgrundstücken solche Reinigungsaktionen vorzunehmen. „Ich weiß nichts über die Zusammensetzung der Partikel, aber das ist doch besser als die Stoffe einsickern und zerbröseln zu lassen“, sagte Rothgang. „In der Abwägung der möglichen Gefahren schien mir das richtiger.“ Bei der Abwägung am Sonntag war keine Behörde auf den Gedanken gekommen, die in Wuppertal verfügbaren Meßkapazitäten nach Schwelm zu entsenden.

Der zusammengefegte Ruß sollte in Plastiktüten abgefüllt in den Hausmüll gegeben werden. Er könne dann in der Müllverbrennungsanlage verbrannt werden. Nach den Informationen, die er vom chemischen Untersuchungsamt der Stadt erhalten habe, seien vor allem aromatisierte Kohlenwasserstoffe zu erwarten. „Die gehen durch die Handschuhe nicht durch.“

Er habe das chemische Untersuchungsamt aber angewiesen, weiter auch nach anderen Giftstoffen zu suchen. „Allerdings können wir nicht nach Dioxinen messen.“ Rothgang meinte aber, daß die Situation näher am Brandherd in Schwelm durchaus mehr Vorsicht verlangen könnte.

Auf möglicherweise entstandene Dioxine untersucht das Landesamt für Immissionsschutz derzeit den Ruß. Ergebnisse dieser Untersuchung seien aber frühestens heute nachmittag, vielleicht sogar erst morgen zu erwarten, so ein Sprecher der Behörde.

Die Lagerhalle der Rhenus- Weichelt-Spedition in Schwelm gehört zum Stinnes-Konzern, einer Veba-Tochter. Stinnes verteidigte sich gestern gegen den Vorwurf, nicht vernünftig mit den Behörden kooperiert zu haben. Eine halbe Stunde nach Ausbruch des Brandes sei der Lagermeister am Brandort gewesen, so Stinnes- Sprecher Gregor Behrendt. Er habe alle wichtigen Informationen und die Lagepläne bei sich geführt. Der von Feuerwehrleuten kritisierte Brandschutz sei „für ein normales Lager ausreichend gewesen. Das ist kein Gefahrgutlager“, sagte Behrendt.

Neben den schon bekanntgewordenen Kunststoff-Rohgranulaten und Farbstoffen seien noch Zelluloseesther und etwa 5.000 Kindersitze in den Hallen gewesen. Behrendt nannte die Meßwerte der Landesanstalt für Immissionschutz in der Nähe des Brandortes beruhigend, wußte aber nicht, daß diese Messungen erst frühesten 8,5 Stunden nach dem Brand begonnen hatten. Von den 20 Millionen Mark Schaden entfallen nach seinen Angaben weniger als die Hälfte auf Stinnes. Die Waren seien gesondert versichert.

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