: SPD: Blauhelm auf zum Kurswechsel!
■ Mit Scharpings Einverständnis arbeitet Fraktionschef Klose einen weitgehenden Antragsentwurf für den SPD-Parteitag aus
Bonn (taz) – Im Streit um Bundeswehreinsätze out of Area bemüht sich SPD-Chef Rudolf Scharping offensichtlich weiter um einen Kurswechsel seiner Partei. Mit dem Einverständnis des Parteichefs werde SPD-Fraktionschef Hans-Ulrich Klose in dieser Woche einen Antragsentwurf vorlegen, der über die bisherige SPD- Position deutlich hinausgehe, wurde der taz gestern in Kloses Umgebung bestätigt.
Klose, der in Scharpings Schattenkabinett für Außenpolitik zuständig ist, will der SPD die grundsätzliche Zustimmung zu allen von der UN geführten Militäreinsätzen abringen. Dies sollte sowohl Blauhelm-Missionen als auch Kampfeinsätze umfassen, hieß es. Ausschließen sollte die SPD jedoch Einsätze nach Golfkrieg-Muster, bei dem die UNO den Kampfauftrag an einige Staaten unter Führung der USA delegiert hatte.
Diese Linie sollte nach Kloses Ansicht sowohl die SPD-Haltung in der Frage einer Grundgesetzänderung als auch die SPD-Außenpolitik bestimmen. Der Fraktionschef geht damit über die bisherige Position seines Parteichefs hinaus. Scharping setzt sich dafür ein, die Möglichkeit von UN-Kampfeinsätzen zwar im Grundgesetz aufzunehmen, unabhängig davon aber als SPD jede Beteiligung der Bundeswehr an derartigen Aktionen abzulehnen.
Klose will auch an einem anderen Punkt weiter auf die Bundesregierung zugehen, als dies bisher von Scharping getan wird. Er schlägt vor, als Hürde für Blauhelm-Einsätze im Grundgesetz lediglich eine einfache Mehrheit vorzusehen. Nur Kampfeinsätze sollen im Bundestag der Zustimmung von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen bedürfen.
Scharpings Modell ist nach Ansicht des SPD-Fraktionschefs als innerparteiliche Kompromißformel vorstellbar. Auch das Scharping-Modell würde über die bisherige SPD-Beschlußlage hinausgehen. Kloses Vorschlag ist hingegen fast mit dem Vorschlag von FDP- Chef Klaus Kinkel identisch. Als Unterschied bleibe das Nein zu einem Einsatz nach dem Muster des Golfkriegs, hieß es in Kloses Umgebung.
Der Fraktionschef werde seinen Vorschlag an diesem Freitag in der Projektgruppe einbringen, die unter dem Vorsitz von Johannes Rau über einen außenpolitischen Leitantrag für den Parteitag im November berät. Das Klose-Modell stünde dann dort einem Antragsentwurf gegenüber, den die Vizevorsitzende der SPD, Heidemarie Wieczorek-Zeul, am vorletzten Montag vorgestellt hatte. Sie will die bisherige Linie der SPD festschreiben, nach der lediglich Blauhelm-Einsätze erlaubt sind, Kampfeinsätze dagegen ausgeschlossen bleiben sollen.
Kloses Mitarbeiter widersprachen gestern Wieczorek-Zeuls Behauptung, ihr Antragsentwurf entspreche dem Stand der Diskussion. „Der Stand der Diskussion in der Projektgruppe ist an vielen Punkten einfach ein kontroverser“, hieß es. Wieczorek-Zeul habe zwar an einigen Stellen in ihrem Papier Alternativen formuliert. Dies beträfe jedoch nur die innerparteilich weniger umstrittenen Fragen. Gleichzeitig räumten die Mitarbeiter des Fraktionschefs ein, daß Klose seit Gründung der Projektgruppe vor zwei Jahren nur einmal an ihren Sitzungen teilgenommen habe. Hmt
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