■ Umzug: Neue Töne aus Bonn: Der Kanzler schiebt
Endlich scheint beim Thema Hauptstadtumzug etwas in Bewegung zu kommen. Das ist zu begrüßen. Die Strategie der stillen Blockade, bei der selbst angebliche Berlin-Freunde immer nur perfekte Lösungen forderten, um letztlich den Umzug zu verhindern, ist offenbar aufgegeben worden. Auch die FDP-Bauministerin hat erkannt, daß Beamte auch in nur provisorisch hergerichteten Räumlichkeiten ihre Aufgabe bestens erfüllen können. Dabei sind die Vorschläge nicht neu; ähnliches ist wiederholt von Berlin angeboten worden. Der Senat wird nun ein wenig beruhigter der Abstimmung in der Bundestagsfraktion der CDU/CSU entgegensehen, bei der es um eine Verschiebung des Umzugstermins geht. Manches spricht dafür, daß der Fraktionsvorsitzende Schäuble sich mit seinem Votum für einen Umzug im Jahre 1998 durchsetzen wird. Bei dieser Erwartung, die vor wenigen Wochen noch als gewagt gelten konnte, gibt vor allem das Gewicht des Bundeskanzlers den Ausschlag. Deutlicher als in der Vergangenheit tritt Kohl für einen frühen Umzug ein. In Bonn werden darin schon die Vorboten des Bundestagswahlkampfes gesehen, bei dem Bundeskanzler Kohl sich als Vollender der deutschen Einheit präsentieren möchte. Wer bei den anderen Parteien für einen späteren Umzugstermin eintritt, der kann als Verhinderer gebrandmarkt werden – das soll Punkte bei den ostdeutschen Wählern bringen. Und die Westdeutschen sollen damit gewonnen werden, daß der Umzug billig durchgezogen wird und die Ministerien in wirtschaftlich schweren Zeiten nicht in Prunkburgen, sondern in Provisorien residieren. Ob diese Kalkulation aufgeht, mag Berlin vorerst egal sein. Hier ist nur eines wichtig: daß der Umzug bald kommt. Gerd Nowakowski
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