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Waigel stolz auf Subventionsabbau West

Im Osten steigen dafür die Staatshilfen an Unternehmen um so mehr / Jetzt sollen nach Meinung der Bundesregierung erst mal die Länder sparen / Dicker Brocken Landwirtschaft  ■ Von Alois Berger

Berlin (taz) – Die Subventionen steigen, und schuld daran ist vor allem der Osten, sagt die Bundesregierung. Im Subventionsbericht, den das Finanzministerium gestern in Bonn vorlegte, sind für 1994 insgesamt 37,6 Milliarden Mark an Finanzhilfen und Steuervergünstigungen aufgelistet, die der Bund an die Unternehmen zahlen wird. Das ist eine Milliarde Mark mehr als in diesem Jahr. Ostdeutsche Betriebe will der Bund 1994 mit 15,7 Milliarden Jahr fast doppelt so stark unterstützen wie in diesem Jahr. Mit besonderem Stolz verweist der Bericht darauf, daß im Westen fast ein Viertel der Bundessubventionen gestrichen werden. 21,9 Milliarden sollen die Unternehmen noch aus dem Bundeshaushalt bekommen.

Zu den größten Subventionsempfängern zählen nach wie vor die Landwirtschaft, der Kohlebergbau, die Bundesbahn und die Wohnungsvermietung. Allein in den alten Bundesländern streichen diese vier Bereiche rund die Hälfte aller Staatshilfen ein. Der Anstieg in den neuen Ländern geht zu einem Großteil auf das pure Recht der Gleichbehandlung zurück: Was Agrarfabriken im Westen bekommen, kann den LPG-Nachfolgern im Osten nicht verwehrt werden. Gekürzt wurde vor allem bei der Berlin- und Zonenrandförderung: von 1991 bis 1994 um fünf Milliarden Mark. Die Subventionen an die Luftfahrtindustrie sollen im gleichen Zeitraum um 1,2 Milliarden Mark gekürzt werden, die Bundeshilfen an die Landwirtschaft um 800 Millionen und im Bergbau um 700 Millionen Mark.

Der Stolz des Finanzministers rührt daher, daß Subventionen gemeinhin als Sündenfall wider die Marktwirtschaft gesehen werden und ihr Abbau als besonderer Akt der Wiedergutmachung. Die angespannte Haushaltslage und steigende Verpflichtungen in Ostdeutschland haben die Forderungen nach weitergehendem Abbau von Steuer- und Finanzhilfen zusätzlich verstärkt.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Joachim Grünwald, der den Bericht vorstellte, verlangte deshalb auch von den Ländern und Gemeinden, ihre Finanzspritzen an Unternehmen zu verringern. Denn in den alten Bundesländern wurde ein Großteil der Kürzungen des Bundes durch zusätzliche Unterstützung aus den Länderhaushalten ausgeglichen. Während die Bundesregierung seit 1990 rund 13 Prozent weniger an die Unternehmen zahlt, haben die alten Bundesländer ihre Zuschüsse um 14 Prozent aufgestockt. Alle Subventionen von Bund, Ländern und Gemeinden zusammengerechnet, bekamen die deutschen Unternehmen 1990 insgesamt knapp 80 Milliarden Mark, 1994 werden es mehr als 110 Milliarden sein.

Führend in der öffentlichen Unternehmensförderung ist die Heimat des Bundesfinanzministers. Bayern steckt seinen Firmen, besonders der Luft-, Raumfahrt- und Rüstungsindustrie, mit über 30 Milliarden Mark doppelt soviel zu wie etwa Niedersachsen.

Die Zahlen des Finanzministers spiegeln allerdings nur einen Teil der Wirklichkeit wider. Die Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen seit Jahren vor, daß die Liste des Finanzministers unvollständig ist. Viele Subventionen werden im Bundeshaushalt unter falschem Namen geführt. Wenn beispielsweise China aus Bundesmitteln Geld mit der Auflage bekommt, dafür in Rostock Schiffe zu kaufen, dann heißt so was Entwicklungshilfe, obwohl es sich um eine lupenreine Werftensubvention handelt. In den letzten Jahren haben die Institute regelmäßig fast dreimal soviel an Subventionen zusammengezählt, wie die Regierung zugegeben hat.

Einer der Gründe, warum die Staatszuschüsse so trickreich versteckt werden, liegt in Brüssel. Um zu verhindern, daß sich die 12 Volkswirtschaften gegenseitig mit Subventionen den Markt zerstören, haben sich die Regierungen vor einiger Zeit gemeinsam auf Spielregeln geeinigt, die sie nun einzeln zu unterlaufen versuchen.

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