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Unterm Strich

Erst die guten Nachrichten (für Christen und Freunde des Trash-Fernsehens): Mit der Station RTL 2, die vor fünf Monaten ihren Sendebetrieb aufgenommen hat, und dem Benediktinerorden, der schon ein bißchen länger sendet, geht es aufwärts. Letzterer arbeitet sich mit Neugründungen im Osten voran – soeben wurde in Wechselburg bei Chemnitz ein neues Kloster eingeweiht, in dem vier mutige Mönchlein aus Ettal demnächst den Kampf gegen die Jugendweihe und dergleichen aufnehmen werden. RTL 2 hingegen bekundete auf dem großen Missionsbasar, der zur Zeit in Berlin unter dem irreführenden Namen Funkausstellung stattfindet, daß man den konkurrienden Sekten schon eine erkleckliche Zahl von Seelen abgeworben habe. Der Erfolg im Kampf gegen den guten Geschmack, meint Geschäftsführer Gerhard Zeiler, kommt von der „richtigen Einschätzung des Marktes“: „Wir sind kein Kulturinstitut für Studienräte.“ Wie denkt eigentlich unsere geschätzte Leserschaft darüber, die sich doch wohl zum erheblichen Teil aus jenen bedauernswerten Watschenmännern und -frauen der Nation zusammensetzt bzw. aus solchen, die noch dummer August bzw. dumme Augustine der landläufigen Kulturkritik werden wollen, wie ergo denken die Herren und Damen StudienrätInnen resp. werdende StudienrätInnen darüber, daß sie ein solches Gespött vor dem Herrn geworden sind bzw. werden? Wir hier in diesem Kulturinstitut für StudienrätInnen können uns nur wundern, daß man alle Frechheiten so lammfromm über sich ergehen läßt, denn einige unserer besten FreundInnen, und nicht die dümmsten, sind StudienrätInnen oder wollen welche werden. Was ist nun also los mit dem Lehrer-Nachwux? Mehr Mumm! Wehrt euch! Bildet Banden! Venceremos! Sieg im Volks(hochschul)krieg!

Dann die schlechte Nachricht (für Feinde des Stadtschlosses): Es sind schon 100.000 Mark für den Wiederaufbau in Form von Kleinstspenden eingegangen. Das ist ein Anfang, der dem Herrn von Boddien, der uns das Plastikschloß beschert hat, offenbar Mut macht. Er legte nämlich eine Rechnung vor, nach der die schwierigen Teile des Schlosses, Fassade und Schlüterhof, in „einer Generation Gesamtbauzeit“ für die Kleinigkeit von jährlich fünf Millionen errichtet werden könnten. Wir überschreiten jetzt mal den hier üblichen grundsoliden und sachlichen Ton und setzen zu einem Bekenntnis an, das uns womöglich innerredaktionell einen solchen Riesenärger einbringt, daß man es noch in Zittau hören kann. Sei's drum: Wir fanden das Schlößchen gar nicht so übel, wie es da so lustig im Wind hin und her waberte und wallte. Und wir würden vielleicht sogar einem Wiederaufbau aus Ton, Steinen und Scherben etwas abgewinnen können, wenn, ja wenn – aber das müßte schon in Ordnung gehen, Herr Boddien, Hand drauf! – die Bratwurstbude bleibt und auch die Achterbahn.

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