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Bonn: Dreiteilung ist vernünftige Lösung

Bundesregierung gibt bisherige Position zu Bosnien auf / Kroatien wird von Bonn weiterhin mit Samthandschuhen angefaßt / Pressekonferenz von Staatsminister Schäfer  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Die Bundesregierung hat ihre bisherige Position zur Friedensregelung in Bosnien nun auch offiziell aufgegeben. Während Bonn seit rund einem Jahr gemäß den Prinzipien der Londoner Friedenskonferenz vom August 1992 gefordert hatte, daß eine Lösung „nicht zu Lasten der Muslime“ gehen dürfe, erklärte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Helmut Schäfer, gestern bei einer Pressekonferenz in Genf, Bonn stehe ohne Einschränkungen hinter dem Dreiteilungsplan für Bosnien-Herzegowina. Dieser jedoch sanktioniert einen Großteil der „ethnischen Säuberungen“ und der gewaltsamen Gebietseroberungen.

Der deutsche Staatsminister nannte den Dreiteilungsplan eine „vernünftige Lösung“. Und er machte deutlich, daß der bosnische Präsident Alija Izetbegović mit der Kritik der Bundesregierung zu rechnen hat, wenn er diese „vernünftige Lösung“ jetzt nicht unterschreibt. Wenn sich Izetbegović und seine Genfer Delegation jetzt als einzige Partei gegen einen „Kompromiß am Verhandlungstisch“ sträube, habe sie die Verantwortung für die weitere Entwicklung zu tragen.

Insbesondere Bundeskanzler Helmut Kohl hatte in den letzten Wochen immer wieder erklärt, daß ein Bosnien-Abkommen „nicht zu Lasten der bosnischen Muslime gehen“ dürfe. Bleibt es bei den in dem Dreiteilungsplan vorgesehenen 30 Prozent des bosnischen Territoriums für die „bosnisch- muslimische“ Teilrepublik, lägen die bisherigen Heimatorte von über 1,5 Millionen Muslimen künftig in der serbischen bzw. der kroatischen Teilrepublik. Dennoch sieht Schäfer die Muslime nur „in gewissem Grade benachteiligt“.

In Genf traf Schäfer auch mit Kroatiens Außenminister Mate Granić zusammen. Dabei erhielt der Staatssekretär die Zusage, daß das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) Zugang zu allen von den bosnischen Kroaten kontrollierten Gefangenenlagern erhalten solle.

Nach Informationen der Genfer IKRK-Zentrale gibt es in ganz Bosnien elf Lager oder Plätze, an denen Kroaten vorwiegend Muslime gefangenhalten. Allein im Lager auf dem Hubschrauberlandeplatz Rodoc bei Mostar sollen sich 22.000 Gefangene befinden. Bisher konnten IKRK-MitarbeiterInnen nur 1.930 Gefangene besuchen.

Auf die Frage nach seiner Beurteilung der Lage in Mostar, wo nach Informationen der UNPROFOR und des UNO- Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) 55.000 muslimische Zivilisten von kroatischen Milizen eingeschlossen sind, antwortete Schäfer bei der Pressekonferenz mit der Darstellung der kroatischen Einschätzung. Danach befinden sich die Kroaten in einem Abwehrkampf gegen muslimische Truppen, die das Ziel hätten, „ganz Mostar“ einzunehmen und zum Bestandteil der künftigen bosnisch-muslimischen Republik zu machen. Und so geht auch die Bundesregierung davon aus, daß Mostar nach einer Übergangsverwaltung durch die EG voll und ganz zur kroatischen Teilrepublik gehören und deren Hauptstadt sein werde.

Der Staatsminister verwies auf die militärischen Offensiven, bei denen die bosnische Regierungsarmee in Zentralbosnien in den letzten Wochen Geländegewinne gemacht und die kroatischen Milizen zurückgeschlagen hat. Offensichtlich seien „die Muslime besser ausgerüstet als vielfach vermutet“ und erhielten „Waffennachschub“. Zu Wirtschaftssanktionen gegen Kroatien, über die innerhalb der EG diskutiert wird, äußerte sich Schäfer nur sehr zurückhaltend. Wenn „Kroatien sein weltweites Image nicht verbessern“ könne und nicht dafür sorge, daß von bosnischen Kroaten begangene Menschenrechtsverletzungen aufhören, werde es „sehr schwer sein, es lediglich bei Sanktionen gegen Serbien zu belassen“. Ähnlich hatte Bundesaußenminister Klaus Kinkel sich bereits im Juni in Genf gegenüber Kroatiens Präsident Tudjman geäußert.

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