: Reizende Biester
■ Herzschmerz & Selbstironie: „Die Mädchen"
So fröhlich bunt leuchten dem Käufer die „Mädchen„- Cassetten entgegen, daß man gar nichts Böses vermuten möchte. Vom Cover blicken uns Karin und Susi aus treuen Augen an, in niedlicher Krakelschrift haben sie ihre Songtitel draufgeschrieben. Wirklich allerliebst - aber dann ertönen Karins kleine Gemeinheiten vom Band, dann stichelt sie gegen die Dumpfheit der Männer und die Treuherzigkeit der Frauen. Das Spiel mit der lieblichen Verpackung und dem sarkastischen Inhalt beherrschen die Bremer Mädchen perfekt — so gut, daß es allerdings nicht ein jeder merkt: Konzertveranstalter und A & R-Manager halten sie manchmal einfach nur für nett und reizend; ihre Durchtriebenheit aber bleibt ungeachtet.
„1000 Männer zeigten Interesse ans uns“, erzählt Susi Rau von den ersten Auftritten der „Mädchen“. Aber keiner biß so richtig an. Die letzte Plattenfirma fand erst „unsere Homerecording-Bänder zu unkommerziell", die anschließende Studioproduktion hingegen wieder zu schön. Das typische Los einer guten deutschen Schlagerkapelle: Schöne Harmonien und Herzschmerzlyrik sind wohl einfach nicht mehr angesagt.
So müssen die „Mädchen“ eben weiter alles selber machen. Und zwar mit „möglichst wenig technischem Aufwand“. Da gibt es kein Gebastel und Getüftel im Heimstudio, keine abgedrehten Halleffekte und keinen Harmonizer: der schöne Harmoniegesang kommt live und knochentrocken aufs Band. „Höchstens zwei Overdubs“ gestatten sich die Mädchen. So bleiben alle Zutaten knackfrisch, und Karins Circenstimme klingt wie direkt ins Ohr geflüstert.
Zur Melodie von „Tränen lügen nicht“ säuselt sie dann: „Ich brauchte Fleisch/ und ging zu Tengelmann/ Du warst nicht reich/ man sah es dir gleich an/ Ich lud dich einfach ein/ zu Wurst und Sauerkraut/ und dann zuhaus' hast du dich nicht getraut / Na, na, na, naaa“, schubidu usw. Dazu eine romantisch umherschlingernde Butterschifforgel. Aber im Hintergrund werkelt das Rhythmusmaschinchen, eselig klappernd und die Harmonie verhöhend, und da sind wir den „Mädchen“ auch schon wieder auf den Leim gegangen. tom
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen