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Hilfe zur Selbsthilfe im Umfeld der Grünen

Seit 1983 sind vom Ökofonds der Grünen in Bremen 287 Projekte mit insgesamt 350.000 Mark gefördert worden. Das ist die Bilanz nach zehn Jahren Entwicklungshilfe für das grüne Umfeld durch freiwillige Spenden eines Teils der Abgeordnetendiäten. Der Bremer Ökofonds war der erste seiner Art in Deutschland und ist inzwischen einer der letzten, die noch existieren. Am Samstag wurde im „Schlachthof“ der zehnjährige Geburtstag des Fonds gefeiert.

Eingerichtet wurde der Ökofonds per Beschluß der Landesmitgliederversammlung am 17.10.1983. Einerseits waren der Partei die Abgeordnetendiäten zu hoch und eine „Bereicherung der Politiker“, andererseits meinten die Grünen, die frisch in die Bürgerschaft eingezogen waren, daß sie für eine erfolgreiche parlamentarische Arbeit eine lebendige außerparlamentarische Bewegung brauchten. Anders als in andern Ländern hat der Bremer Fonds überlebt; von der einstigen Fonds-Herrlichkeit mit bundesweit insgesamt verteilten 15 Millionen Mark sind nur noch die Öko-Töpfe in Bayern, Niedersachsen, NRW, Rostock und Bremen übrig.

Ein ehrenamtlicher Beirat, der aus einem Vertreter des „Netzwerk e.V.“, einem Naturwissenschaftler und einem Vertreter der Grünen besteht, entscheidet über die Vergabe des Geldes. Die Vergabekriterien für Darlehen oder Zuschüsse haben sich in den zehn Jahren nicht geändert: Es werden Projekte unterstützt, die sich gegen die „Zerstörung der Lebensgrundlagen“ einsetzen, in ihrem Umfeld „möglichst motivierend“ auf die Neugründung anderer Projekte auswirken und „Hilfe zur Selbsthilfe“ betreiben. In erster Linie soll der Ökofonds neue Projekte anschieben helfen, heißt es in einer Bilanz zum Geburtstag durch die Grünen: „nichtökonomische“ Projekte können Zuschüsse beantragen, „ökonomische“ bekommen zinslose Darlehen.

Die Liste der Bremer Initiativen und Projekte, die durch den Ökofonds unterstützt worden sind, liest sich wie ein „Who is Who“ der alternativen Bewegung: Von der Aktionskonferenz Nordsee, dem Anti-RassismusKomitee, dem Frauengesundheitszentrum, dem Sielwallhaus, Robin Wood und StadtAuto bis hin zur Lokalausgabe der taz.

Für 1992 weist der Haushalt des Bremer Ökofonds Einnahmen von 65.000 Mark aus. Für Bremerhaven gibt es einen eigenen Ökofonds. Von 60 Anträgen auf Förderung in Bremen wurden 34 bewilligt und im Durchschnitt mit 1400 Mark gefördert. Das Geld kommt in Bremen neben der Rückzahlung von Darlehen zum Großteil durch Spenden der Bürgerschaftsfraktion und der grünen SenatorInnen zusammen. „Schön wäre es allerdings“, heißt es im Bericht zum Ökofonds in der grünen Mitgliederzeitschrift, „wenn sich auch die grünen Staatsräte zur Förderung des Fonds entschließen könnten.“

Ein herber Verlust für den Fonds auch in Bremen war das Scheitern der Grünen bei der Bundestagswahl 1990: jährlich etwa 70.000 Mark weniger bedeutete die Niederlage in Bonn für Bremen. Die Anträge auf Förderung gingen um die Hälfte zurück und sind bis heute nicht wieder auf den Stand von 1990 gekommen, sagt Jürgen Sosna. Alles hofft nun auf einen Wiedereinzug der Grünen in den Bundestag im nächsten Jahr, um wieder einen „sprudelnden Geldsack“ aufzutun.

Der fehlende Einfluß der SpenderInnen auf die Vergabepraxis des Fonds bewirkt, daß auch Projekte gefördert werden, die die Grünen politisch attackieren. So wurde zum Beispiel die Initative „Grüner Weidedamm“ unterstützt, die Umweltsenator Fücks scharf kritisiert. „Im politischen Alltag kommt man als Abgeordneter leicht auf die Idee, wegen seiner eigenen Schönheit oder Kompetenz im Parlament zu sitzen und zu vergessen, wem man seine Wahl zu verdanken hat“, meint Karoline Linnert von den Grünen. Grüne Politik sei aber nur in einem bewegten politischen Umfeld möglich, und dieses kritische Bewußtsein müsse die Partei unterstützen. Zwischen den Grünen und den im Ökofonds geförderten Projekten gebe es eine gegenseitige Abhängigkeit: „Der Ökofonds ist ein Scharnier zwischen Partei und Basis. Die Grünen sind 1990 aus dem Bundestag geflogen, weil es eine schleichende Kündigung der Mitarbeit durch diese Basis gab.“

Bernhard Pötter

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