Lausige fahrende Spielleut'

■ Das Teatro di Quartiere unterwegs mit Dario Fo

Schade, daß sie nicht wie geplant im Amphitheater spielen konnten, sondern vor dem Regen in die Kesselhalle entweichen mußten. Das Volk hätte sie noch mehr umgarnt: Das Bremer Teatro di Quartiere hatte am Freitag im Schlachthof mit Isabella, drei Karavellen und ein Scharlatan, einem Stück von Dario Fo, trotzdem einen runden ersten Auftritt.

Eigentlich hätte die Premiere ja schon letztes Jahr stattfinden sollen, aber da waren sie angeblich noch nicht so weit, die sechs der Truppe, die bis auf eine Ausnahme „keine Profis“ sind. Letztes Jahr, da hätte ihr Stück genau zum 500 Jahre entdeckten Amerika gepaßt. Denn Isabella, drei Karavellen und ein Scharlatan ist eine persiflierte Version der Geschichte des Christopher Columbus am Hofe der spanischen Königin Isabella und König Ferdinands. Spaß von gestern also? Es dürfte kein Dario Fo sein — er wußte stets Politisches satirisch zu verpacken, um dem Theaterpublikum Genuss zu bereiten.

Und dieses sitzt inmitten. Ein Spiel im Spiel: Ein Schauspieler (Michael Filzen), der wegen Ketzerei (wir schreiben 15. Jahrhundert) erhängt werden soll, kann vielleicht seinen Kopf retten, wenn er mit seinen Freunden Theater spielt. Er schlüpft in die Rolle des Columbus, der versucht, am Hofe der Isabella (Christine Tigges) Gelder locker zu machen. Eine korrupte, infame, abgedrehte Sippe präsentiert sich unter der Regie von Francesca de Martin: 24 grobe, überzogene Figuren, Seemänner, Zimmermänner, Gelehrte und Ankläger, Mägde und Herolde pellen sich die sechs AkteurInnen aus der Haut.

Teatro di Quartiere spielt eine commedia dell'arte, die ursprünglichste Form von Straßentheater. Die „vierte Wand“ zum Publikum steht offen, auf der ohnehin nur mit dem Galgen, dem Thron und einem schwarzen Vorhang bestückten Bühne treibt sich alles um. Geschrei ins Volk und von dort zurück, wo die Chorifeen des gleichnamigen Bremer Frauenchores (Leitung Gabriele Bucher) ihre würzigen Sangeskommentare abgeben.

Dario Fo spart nicht an Sarkasmen, und die Gruppe faßt noch kräftig nach. König Ferdinand (Lino Gozzi) reitet auf dem Steckenpferd gegen Malaga in den Krieg. Frömmelei, Fremdenhaß und Perversitäten beherrschen die Szenen und eine nicht ganz konstant durchgehaltene Dramaturgie verbindet lauter Klamauk. Boris Radivoj, Michael Knust und Christine Cassens (im „richtigen Leben ein ordnungsliebender Mensch mit Chef“) tragen den Löwenanteil der Kurzweiligkeit.

StraßenkünstlerInnen sind fahrende Leute. Teatro di Quartiere wird weiterziehen, andere Bremer Stadtteile besuchen und ist gespannt darauf, wie (anders) ihre ZuschauerInnen dort auf ihr Spiel reagieren werden. Sie laufen als ein Projekt der Breitenkulturarbeit, haben aber vom zugesagten Geld vom Senator für Kultur und Ausländerintegration noch nichts gesehen. Umso schneller füllten sich im Schlachthof die Sammelhüte. Dazu gab's Lutscher und trampelnden Applaus.

Silivia Plahl

Nächste Aufführungen: 9.9. Bremen Nord, 11.9. Flohmarktfest Tenever, 10.10. Kulturzentrum Westend, weitere Termine geplant.