: Kahlschlag bei der Grone-Schule
■ Betriebsvereinbarung gekündigt: Geschäftsleitung will 105 Mitarbeiter entlassen / Betriebsrat zieht vors Arbeitsgericht von Kajia Kutter
Hoch her ging es gestern mittag in der Grone Schule in Hammerbrook. Rund 200 Mitarbeiter drängten sich in der Kantine des roten Backsteinneubaus, um im Verein mit dem Betriebsrat die vierköpfige Geschäftsleitung auf den Topf zu setzen. Dabei kam man sich nicht viel näher. Die wirtschaftliche Lage mache es zwingend notwenig, 105 Mitarbeiter zu entlassen, sagt Geschäftsführer Peter Rabels. Die Geschäftsführung nutze die Krise aus, um aus der Stiftung Kleinholz zu machen, lautet der Vorwurf des Betriebsrats.
Noch arbeiten 290 Menschen bei Hamburgs größtem Träger für Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen, 40 haben den Betrieb in den letzten Monaten freiwillig verlassen. Als im Frühjahr bekannt wurde, daß die Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit diese Maßnahmen massiv kürzen wird, hatten Geschäftsleitung und Betriebsrat eine Vereinbarung abgeschlossen. Inhalt: Bis zum Ende des Jahres gibt es für zwei Drittel der Belegschaft Kurzarbeit, dafür wird keiner entlassen.
Doch dies soll nun nicht mehr gelten. „Unserer Einschätzung nach leiden wir nicht an einer vorübergehenden, sondern an einer strukturellen Krise“, sagt Geschäftsführer Rabels. Im besten Fall habe man im nächsten Jahr noch die Hälfte der derzeitigen 2400 Kursteilnehmer. Deshalb habe er beim Arbeitsamt Antrag auf Abbruch der Kurzarbeit gestellt und die Betriebsvereinbarung gekündigt. Wenn man sich mit dem Betriebsrat auf Entlassungen einigen könnte, so der Staatsrat a.D. gestern vor der Grone-Belegschaft, sei das Arbeitsamt bereit, den „personellen Anpassungsprozeß auch weiterhin wohlwollend mit Kurzarbeit zu begleiten“.
Der Betriebsrat Peter Petersen sieht darin einen unzulässigen Erpressungsversuch. So sei es rechtlich nicht möglich, eine Betriebsvereinbahrung fristlos aufzukündigen. Daher werde man beim Arbeitsgericht eine Einstweilige Verfügung einreichen, um festellen zu lassen, daß die alte Vereinbarung noch gültig ist. Gekündigte Grone-Mitarbeiter hätten dann beste Chancen, einen Kündigungsschutzprozeß zu gewinnen.
Nach Ansicht der Belegschaftsvertretung ist der radikale Personalabbau verfrüht. Selbst der Chef des Hamburger Arbeitsamts habe geraten, im November einen Folgeantrag auf Kurzarbeit zu stellen und abzuwarten, wie sich die Auftragslage 1994 tatsächlich gestaltet. Mit dem Abbau von 105 Stellen (60 Prozent der Lehrer), ginge der Stiftung wichtiges Know-How verloren, was später tatsächlich zum Zusammenbruch führen könnte.
Die Grone-Mitarbeiter, das wurde gestern deutlich, geben einhellig der Geschäftsführung für die jetzige Lage die Schuld. Ihre Kritik: statt die Zeit der Kurzarbeit zu nutzen, um neue Aufgabenfelder zu suchen, glänze sie durch Konzeptionslosigkeit. „Wer weiß, vielleicht gründen die nachher eine GmbH und stellen die Mitarbeiter zu schlechteren Konditionen wieder ein“, mutmaßte eine Lehrerin.
Auch die Tatsache, daß die Geschäftsleitung keinerlei Zahlen über die wirtschaftliche Lage herausgibt, schürt das Mißtrauen. Grone habe in den letzten dreieinhalb Jahren gut verdient, sagt der Betriebsrat. Selbst die Unterbeschäftigung der letzten Monate sei durch Kurzarbeitergeld ausgeglichen worden. Es bestünden also durchaus Reserven, um '94 einen vernünftigen Sozialplan zu finanzieren. Lieblingsidee der Beschäftigten: Die Grone-Stiftung solle beim Arbeitsamt Maßnahmen nach Paragraph 63.4 AfG beantragen. Andere Hamburger Betriebe haben auf diese Weise ihre Mitarbeiter weiterqualifiziert, statt sie zu entlassen. Da Grone dies zudem noch selbst durchführen könnte, wäre dies eine kostenneutrale Lösung.
Geschäftsführer Rabels hält nichts von diesem Plan: „Das Problem unserer Dozenten ist nicht, daß sie nicht qualifiziert sind“. Auch habe Nürnberg die Fortbildung für Akademiker eingestellt.
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