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Prügelnde Männer ab in die Therapie

Männer, die ihre Ehefrauen oder Freundinnen schlagen, sollen künftig resozialisiert werden – ob sie wollen oder nicht / Umstrittenes Modellprojekt des Bundesfrauenministeriums  ■ Aus Berlin Karin Flothmann

„Der wollte mich im Mini nich auf der Straße sehn, na da hatt ich denn prompt wieder ne Brosche.“ Die junge Frau, die in der S-Bahn lauthals von ihren Erlebnissen berichtet, deutet mit einem Finger auf ihr linkes Auge. „Ja, dein Alter is nich von ohne“, lautet der Kommentar der Freundin. Eine „Brosche“, volkstümlich auch „Veilchen“ oder einfach „ein blaues Auge“, scheint alltäglich für die knapp 30jährige.

Die umsitzenden Passagiere lauschen, werfen unauffällige Blicke auf das Freundinnenpaar, schütteln den Kopf. Abgehauen ist die Frau, wie es scheint, öfter, immer zu Freunden, wo sie dann in der Badewanne entspannen und auf der Couch „herrlich schlafen“ konnte. Ob sie mit ihrem „Alten“ noch zusammen ist?

Dieser „Alte“ könnte künftig – ganz nach US-amerikanischem Vorbild – zur Teilnahme an einer Tätergruppe verdonnert werden, höchst offiziell, per gerichtlicher Anordnung. So zumindest stellt es sich das Bundesfrauenministerium derzeit vor. „Justiz und Polizei werden künftig angehalten, die familiäre Gewalt gegen Frauen ernsthafter zu verfolgen“, verkündete Renate Augstein, Mitarbeiterin beim Bundesministerium für Frauen und Jugend.

Schlagende Männer sollen nach Meinung des Merkel-Ministeriums nicht mit Haft oder Geldstrafen sanktioniert werden, nein, „erzwungene Resozialisierungsmaßnahme“ , sprich: Täterarbeit heißt die Devise.

Die „Mannege“, Berlins Männerbüro, ist derzeit vom Bundesministerium auserkoren, diese Arbeit zu übernehmen. Rund eine Millionen Mark will frau in Bonn in ein entsprechendes Bundesmodellprojekt stecken.

Positive Erfahrungen in Amerika

Täterarbeit, in den USA seit Anfang der 80er Jahre etablierte Praxis, steckt in der Bundesrepublik noch in den Kinderschuhen. Einzig der Verein „Männer gegen Männer-Gewalt“ in Hamburg hat sich diesem Ziel verschrieben.

Unter dem Motto „Trennung, Konflikt und Gewalt“ können sich Männer seit knapp einem Jahr auch in Berlin mit der eigenen Gewalttätigkeit auseinandersetzen. „Für die meisten, die kommen“, so Gerhard Hafner von der „Mannege“, „ist die Trennungsproblematik vorrangig. Sie wollen ihre Frau wiederhaben, wollen das Geschehene wiedergutmachen.“ Gewalt, das kann, wie bei dem 31jährigen Elektriker Ralf K. die Ohrfeige sein, die er seiner Frau versetzte, darunter fällt für die „Mannege“-Macher aber auch, wie beim 43jährigen Leo T., der Selbstmordversuch, die gegen die eigene Person gerichtete Gewalt.

Anders bei den Hamburgern. „Zu uns kommen ausschließlich Männer, die massiv gewalttätig wurden“, sagt Burkhard Oelemann, „dabei handelt es sich eindeutig nicht um Ohrfeigen.“

Dem Hamburger Projekt „Männer gegen Männer-Gewalt“ wird die Bude eingerannt. Was vor fünf Jahren mit 40 Freiwilligen begann, die sich mit ihrer Gewalt auseinandersetzen wollten, hat heute den Umfang von 360 beratungswilligen Männern pro Jahr erreicht. Auch in Hamburg kommen sie erst, wenn ihre Brutalität ganz persönliche Folgen zeitigt, wenn die Ehefrau oder Freundin sie verläßt.

Anders als bei uns forderten US-Amerikanerinnen schon in den 70er Jahren pragmatischere Hilfen gegen Gewalt, darunter vor allem Gesetzesänderungen. So existieren mittlerweile in 48 US-Bundesstaaten sogenannte orders for protecition, nach denen ein Richter den schlagenden Mann per Gerichtsbeschluß seines Hauses verweisen kann. Geschlagene Frauen haben einen gesetzlichen Anspruch auf Schutz und Unterhalt. Polizisten, die auf häusliche Gewalt aufmerksam werden, müssen einschreiten und können den Täter sofort inhaftieren.

In der Bundesrepublik scheitert ein solches Vorgehen schon an den gesetzlichen Bestimmungen. Ein blaues Auge, eine leichte Körperverletzung, ist kein Offizialdelikt, muß damit also nicht automatisch von Polizei und Staatsanwaltschaft verfolgt werden. Erst wenn eine Frau Anzeige gegen ihren Mann oder Freund erstattet, laufen die Ermittlungen an. Daß Frauen, die in gewalttätigen Beziehungen leben, oft viel zuviel Angst haben, gegen den Schläger vorzugehen, bleibt dabei ohne Belang.

Was in den USA eher ein Nebenprodukt der Frauenhausbewegung ist, soll in der Bundesrepublik nun zu einem Musterbeispiel für staatlich verordnete Männerarbeit werden. Frauenprojekte, die seit gut zwanzig Jahren mit den Opfern männlicher Gewalt arbeiten, wurden vorsorglich erst gar nicht von Bonn angesprochen. Den Mannege-Mitarbeitern ist bei dem Gedanken an zwangsverordnete Täterarbeit nicht ganz wohl zumute. Das Männerbüro bekäme das Image, „verlängerter Arm des Staates zu sein“, faßt Michael Tenhaef die Befürchtungen seiner Kollegen zusammen. Dennoch betrachte der größte Teil des Vereins das angedachte Bundesmodellprojekt „mit Wohlwollen“. Ob „sozusagen naturwüchsig gewalttätige Männer“ nach zehn oder mehr Stunden Tätergruppe zu zahmen Lämmern werden, ob sie „plötzlich ganz andere Menschen sind, andere Kommunikationsmöglichkeiten haben“, bezweifelt auch Mannege-Mitarbeiter Wolf-Peter Pohling.

Dennoch setzt er auf die US- amerikanischen Erfahrungen. Immerhin werde damit ein Unrechtsbewußtsein geschaffen. Strengere gesetzliche Regelungen hätten den Effekt der „Ächtung“.

Die Hamburger Männer gegen Männer-Gewalt schwören dagegen auf das Konzept der Freiwilligkeit. Ihre Erfahrung: „Zum Teil melden sich Männer aus dem Knast freiwillig bei uns“, sagt Burkhard Oelemann, „wird denen zur Bewährungsauflage gemacht, daß sie zur Tätertherapie gehen müssen, dann bleiben die gleichen Männer garantiert beim nächsten Gruppentermin weg.“ In einer Untersuchung, die die gewaltlosen Männer für das Bonner Frauenministerium vor zwei Jahren anfertigten, geht hervor, daß sie die Übertragung US-amerikanischer Modelle auf die hiesige Situation für unsinnig halten. Eine Folgeuntersuchung zu Erfolgschancen der Täterarbeit lehnte das Bonner Ministerium ab. Denn in Bonn bestand frau auf zwangsrekrutierten Gewalttätern, die Hamburger bevorzugten die freiwilligen.

Frauenschutz vor Tätertherapie

Berlins Mannege-Macher denken jedoch an mehr als reine Täterarbeit. Man(n) will nichts ohne die Frauenhaus-Frauen versuchen. Eine Kooperation, die auch für die Mitarbeiterinnen der vier Berliner Frauenhäuser erstmalig ist. „Es ist langsam an der Zeit, neue Strategien anzugehen“, meint Conny Seebach vom dritten Frauenhaus in Ostberlin. Über eins allerdings ist man(n) und frau sich einig: Konzepte gegen männliche, häusliche Gewalt sollen in erster Linie auf den Schutz von Frauen konzentriert sein – anders, als dies der Bonner Plan vorsieht.

Von solchen Modellprojekten nach Merkelscher Art halten die Hamburger nichts. „Damit wird Gewalt zu einem Randproblem gemacht“, meint Burkhard Oelemann. Daß häusliche Gewalt nicht Randproblem, nicht Kavaliersdelikt – nach dem Motto: jedem Mann kann halt mal die Hand ausrutschen –, sondern die Norm ist, werde per Modellversuch einfach vertuscht.

Dabei gingen Schätzungen von 1987 im Auftrag des bayerischen Sozialministeriums davon aus, daß jährlich etwa vier Millionen Frauen in der Bundesrepublik Opfer häuslicher Gewalt werden. Zu vier Millionen geschlagenen Frauen gehören zwangsläufig vier Millionen schlagende Männer. Und die kommen aus allen gesellschaftlichen Schichten. Fragt sich, wie ein vom Frauenministerium finanziertes Modellprojekt dieser Gewalt Einhalt gebieten will. Oelemanns Kommentar: „Da beißt sich der Kater in den Schwanz.“

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