Eine Schnapsidee wird salonfähig

■ Die deutsche Eishockey-Liga soll nach dem Vorbild der amerikanischen NHL schon ab 1995 eine geschlossene Gesellschaft ohne Auf- und Abstieg werden

Berlin (taz) – Trau keinem über 35! Das deutsche Eishockey war den andern Sportarten schon immer um eine Nasenlänge voraus. Die Kufencracks gründeten 1958 als erste eine Bundesliga und sind jetzt auch die ersten, die dieser wieder überdrüssig geworden sind. Nach den Plänen des Deutschen Eishockeybundes (DEB) soll sie schon 1995 durch eine Profiliga nach dem Modell der amerikanischen National Hockey League (NHL) ersetzt werden. Für den deutschen Sport eine Revolution.

Vor Jahresfrist noch als eine Schnapsidee gehandelt, hat die „Deutsche Eishockey-Liga“ (DEL) – so der Arbeitstitel – mittlerweile erstaunlich viel Zustimmung unter den Vereinen der ersten und zweiten Liga gefunden. Gerade hat der Bundesliga-Ausschuß eine Arbeitsgruppe des DEB abgesegnet, die konkrete Pläne für die neue Profiliga ausarbeiten soll. Wie Hedos-München- Manager Walter Stadler argumentieren die meisten: „Eine Profiliga à la NHL ist der einzige Weg, den sportlichen Erfolg auch wirtschaftlich umzusetzen.“ Und der Kaufbeurer Peter Ustorf setzt noch eins drauf: „Die momentane finanzielle Situation ist doch katastrophal. Nur mit einer gemeinschaftlichen Organisation kann das derzeitige Niveau gehalten werden.“

Franz Reindl, Sportdirektor des DEB und Chef der Arbeitsgruppe, hält auch gleich verlockende Summen bereit: „Zur Zeit haben die 23 Erst- und Zweitligisten zusammen ein Sponsorenvolumen von 55 Millionen Mark“, rechnet er vor, „wir wollen über einen Generalsponsor und Nebensponsoren mindestens 85 Millionen Mark herausholen.“ Damit will der Verband den Vereinen den zwangsläufigen Souveränitätsverlust versüßen. Diese sollen nicht nur einen Teil ihrer Vermarktungsrechte abgeben, sondern am besten gleich in Kapitalgesellschaften umgewandelt werden. „Das Manko war doch bisher immer, daß potentielle Geldgeber sich scheuten, ihr Geld in die dunklen Kanäle amateurhaft geführter Vereine zu schieben. Da wurde dann plötzlich einer abgewählt, und niemand hat dann mehr für die Summen gehaftet“, stellt Reindl das Problem aus seiner Sicht dar. „Mit offenem Finanzgebaren und ohne dubiose Schwarzgelder sind wir für jeden Großsponsor interessant.“

Völlig unerschlossen ist bisher noch der Bereich des Merchandising (Verkauf von Fan-Artikeln). Zurück von einem Arbeitsbesuch in Kanada, gerät DEB-Präsident Ulf Jäkel regelrecht ins Schwärmen: „Wenn man das richtig aufzieht, sind da 50 bis 60 Millionen Mark im Jahr drin, also rund 900.000 Mark pro Verein.“

Das Wirtschaftliche ist jedoch nur die eine Seite. Denn sportlich krempelt eine Profiliga nach amerikanischem Modell das bundesdeutsche System völlig um. Mit ihrer Einführung gäbe es nämlich keinen Auf- und Abstieg mehr, die „DEL“ ist als geschlossene Gesellschaft konzipiert. Doch Jäkel sieht darin keinen Nachteil: „Der Abstiegskampf interessiert doch sowieso niemand.“ Aufgeteilt in vier Regionalgruppen mit jeweils fünf Mannschaften, würden die Teams drei Heimspiele gegen ihre lokalen Gegner und zwei gegen die überregionalen austragen. Die 16 Besten spielen dann nach dem Play-off- Modus den Meister aus. „Ohne das Gespenst des Abstiegs können die Trainer auch den Nachwuchs viel früher einbauen.“

Für Zündstoff unter den Spielern wird mit Sicherheit das geplante System für die Gehälter sorgen. „Wir denken da an eine Art Tarifsystem. Gemessen an Alter, Leistungsniveau und internationalen Einsätzen, sollen verbindliche Gehaltsklassen festgelegt werden“, so Jäkel. Um die Altersversorgung zu sichern, ist eine Rente nach NHL-Vorbild vorgesehen – eine alte Forderung der Vereinigung der Eishockeyspieler (vde). Im übrigen sieht diese der neuen Profiliga mit gemischten Gefühlen entgegen. Zwar hatte schon im vergangenen Jahr ihr Vorsitzender Gerd Truntschka eine Stagnation der Gehälter unter bestimmten Bedingungen für akzeptabel gehalten: „Wir sind an soliden Arbeitsverhältnissen interessiert. Schließlich ist es den meisten lieber, etwas weniger zu bekommen, aber dafür regelmäßig.“

Auf gar keinen Fall aber will die vde ein Draft-Kartell der Vereine dulden, bei dem die Spieler nach Belieben hin- und hergeschoben werden. vde-Geschäftsführer Jörg Hiemer macht unmißverständlich klar: „Da ist die NHL für uns kein Vorbild. Gegen solche Bestrebungen würden wir mit allen juristischen Mitteln vorgehen.“ Matthias Kittmann