: Salam, schalom mit einem Federstrich
■ Israel und die PLO unterzeichneten in Washington Grundsatzerklärung über Teilautonomie / Rabin und Arafat reichten sich zweimal die Hand / USA wollen sich stärker engagieren
Washington (taz) – Historische Momente en gros: PLO-Chef Jassir Arafat zum Frühstück bei der Weltbank, Arafat im Weißen Haus. Schließlich Israels Ministerpräsident Jitzhak Rabin und Arafat, wie sie, US-Präsident Bill Clinton in der Mitte, gemeinsam aus dem Weißen Haus treten, um der Unterzeichnung des ersten Abkommens zwischen Israel und der PLO beizuwohnen. Rabin mit unbewegter Miene, Arafat vorsichtig lächelnd. Und schließlich die ausgestreckte Hand des PLO-Führers, in die der israelische Premierminister sichtbar zögernd einschlug. Arafat schüttelte. Rabin wurde geschüttelt. Die versammelten Augenzeugen auf dem Rasen des Weißen Hauses, 3.000 an der Zahl, erhoben sich zu einer Ovation. „Genug des Blutes und der Tränen“, rief zum Schluß ein sichtlich bewegter Rabin.
„Wenn's sein muß“, hatte der israelische Premier am Sonntag auf die Frage eines CNN-Journalisten geantwortet, ob er Arafat die Hand geben würde. Und dann gab es auch schon einen Vorgeschmack auf den bevorstehenden Verhandlungsmarathon. Arafat hatte in den vergangenen Tagen wiederholt das Bild eines palästinensischen Staates mit der palästinensischen Fahne über Jerusalem beschworen. „Das kann er vergessen“, erklärte Jitzhak Rabin mit dem für ihn typischen unbewegten Gesichtsausdruck. „Jerusalem wird immer unter israelischer Souveränität auf ewig Israels Hauptstadt bleiben.“
Die Zukunft Jerusalems, die Zukunft palästinensischer Flüchtlinge und jüdischer Siedler sind einige der Punkte, um die es schwierige und wahrscheinlich erbitterte Verhandlungen geben wird. Was gestern in Washington unterzeichnet wurde, stellt nicht mehr und nicht weniger als einen ersten Schritt dar: eine fünfjährige Übergangsphase begrenzter Autonomie der Palästinenser im Gaza-Streifen und in Jericho; Wahlen innerhalb der nächsten neun Monate für einen Verwaltungsrat; der Rückzug israelischer Truppen aus dem Gaza-Streifen und in einem noch nicht definierten Ausmaß aus der Westbank innerhalb der nächsten vier Monate; die Gründung einer palästinensischen Polizei, deren Kooperation mit der israelischen Armee noch nicht klar ist – das sind die zentralen Bestandteile des Vertrages. Das Abkommen wurde gestern vom israelischen Außenminister Schimon Peres und Mahmoud Abbas von der PLO-Führung unterzeichnet.
Clinton, der Gastgeber für einen historischen Durchbruch spielen durfte, würdigte in seiner Ansprache vorbehaltlos die Verdienste jener, die diesen Moment möglich gemacht hatten. Zuallererst Rabin und Arafat, zwei Führer, die, so Clinton, „den Mut hatten, ihre Völker dem Frieden näherzubringen“. Unter den Ehrengästen nahm auch jener Mann Platz, dessen stille Vermittlungskünste die geheimen Verhandlungen in Oslo möglich gemacht hatte: Norwegens Außenminister Johan Jorgen Holst, der inzwischen keine schlechten Aussichten auf den nächsten Friedensnobelpreis hat. Zu Ehren kamen auch noch einmal die Ex-US-Präsidenten Jimmy Carter und George Bush. Ersterer hatte vor vierzehn Jahren das Friedensabkommen zwischen Ägypten und Israel vermittelt, letzterer hat unbestritten durch einen Wandel in der US-Politik gegenüber Israel den Wahlsieg der Arbeiterpartei möglich gemacht – eine mehr oder weniger subtile Einmischung in israelische Angelegenheiten. Doch ohne sie wäre der Moment gestern vor dem Weißen Haus wohl nicht möglich gewesen.
Die Zeremonie hatte nicht nur Symbolkraft für die Beziehungen zwischen Israel und der PLO, sie markiert möglicherweise auch einen Einschnitt in der US-Außenpolitik. Die Clinton-Administration, beim Zustandekommen des israelisch-palästinensischen Abkommens nur Zuschauer, hat in den letzten Wochen deutlich gemacht, daß sie sich mit ihrem Supermachtstatus in die Pflicht nehmen läßt. „Ich verspreche hiermit die aktive Unterstützung der USA für die Arbeit, die noch vor uns liegt.“ Alle Beteiligten des Nahostfriedensprozesses, ob Israel, die PLO, Syrien, Libanon, Jordanien oder die Golfstaaten, haben in den letzten Wochen in aller Deutlichkeit den aktiven Beistand und die aktive Vermittlerrolle der USA gefordert.
Clintons Versprechen gingen bereits Taten voraus. Der US-Präsident und sein Außenminister sorgten vorab dafür, daß auch die anfangs widerwilligen Syrer, Jordanier und Libanesen an der Zeremonie teilnahmen. Für heute ist im Außenministerium die Unterzeichnung eines „Zeitplans für den Frieden“ zwischen Jordanien und Israel geplant. Und in einer Fernsehsendung kündigte US-Außenminister Warren Christopher an, daß im Fall eines Friedensabkommens zwischen Israel und Syrien die Stationierung von US-Truppen als peace keeper auf den Golanhöhen durchaus vorstellbar sei.
Die Euphorie der Zeremonie im Weißen Haus wurde unmittelbar nach ihrem Ende von jener gespannten Arbeitsatmosphäre abgelöst, die ab sofort den weiteren Friedensprozeß prägen soll. Rabin und Peres sagten ein geplantes Dinner im Weißen Haus ab und flogen zurück nach Israel, um sich mit der innenpolitischen Opposition auseinanderzusetzen. Die Mitglieder der Clinton-Administration dürften sich wieder ans Telefon gesetzt haben, um internationale politische wie finanzielle Unterstützung für das Abkommen einzuholen. Nur Arafat hatte noch einen historischen Moment vor sich. Er trat abends in der CNN-Talkshow „Larry King Live“ auf. Andrea Böhm
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