: Für eine Eleganz der Einfachheit
■ 9. Toblacher Gespräche zu Arbeit und ökologischem Wohlstand
Berlin (taz) – Nun haben wir's wieder einmal schriftlich: Das abendländische Wachstumsmodell des „weiter, höher, schneller“ und reicher hat ausgedient. Angesagt sind statt dessen menschliche Arbeit ohne Umweltzerstörung und auf weitere Sicht so etwas wie ökologischer Wohlstand. Soweit, so bekannt. Also auch aus Toblach nichts Neues? Seit nunmehr neun Jahren ist das kleine Südtiroler Örtchen für jeweils drei Tage im Herbst Schauplatz heißer Debatten. Wissenschaftler, Politiker, Pädagogen, Unternehmer und engagierte BürgerInnen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Italien streiten sich dort im Dorfsaal über Zukunftsfragen. Am vergangenen Wochenende ging's um „Arbeit und ökologischen Wohlstand“. Schon traditionell entstanden als Arbeitsergebnis Toblacher Thesen.
Die Arbeitslosenzahlen steigen, die sozialen Unterschiede werden krasser und die globalen ökologischen Probleme gravierender. Darüber waren sich die Diskutanten rasch einig: Doch die postulierten Alternativen blieben einigermaßen unkonkret. Eine neue Kultur der Arbeit gelte es zu schaffen. Menschliche Arbeit soll wieder Sinn machen, sich durch geringen Rohstoff- und Energieverbrauch auszeichnen und langlebige, reparaturfreundliche Produkte abwerfen. Sie sollte auf einer ökologisch angepaßten Technik aufbauen, um so die Produktivität von Mensch und Natur zu verbinden. Und: Die Arbeit soll – nach dem Motto Menschen statt Maschinen – aufgewertet werden.
Dem technischen Umweltschutz, der derzeit die ökonomisch-ökologische Debatte in Deutschland bestimmt, erteilten die Toblacher eine Absage. Technik allein werde die Probleme nicht lösen. Statt dessen wird in den 12 Thesen einer „Eleganz der Einfachheit“ das Wort geredet. Was da heißt: Weniger kaufen und verbrauchen, einiges selbst herstellen und bewußt umweltfreundliche Produkte wählen: einmal mehr das Geld der VerbraucherInnen als Druckmittel, um Einfluß auf Produktion und Wirtschaft auszuüben. Dabei wird der aktive ökologische Unternehmer gefordert, alte Gewohnheiten und überholte Erfolgsrezepte über Bord zu werfen. Und den Gewerkschaftern wird ans Herz gelegt, die Schwerpunkte ihrer Politik weniger auf Geldeinkommen und Sicherung vorhandener Arbeitsplätze als vielmehr auf Arbeitsqualität bei weniger Arbeitszeit und aktive Mitarbeit beim ökologischen Strukturwandel zu verlegen. „Der Ausstieg aus der Spirale des Wachstums von Einkommen, Konsum und Naturzerstörung ist nur durch Teilen möglich ... Langsamer, weniger besser, schöner können Leitbilder sein, die der Arbeit ihren eigentlichen Sinn zurückgeben: das gute Leben.“
Die Thesen sind eine Art Konsens der teilnehmenden Wissenschaftler und Praktiker. Daß sie in ihrer Form als „Pauschal-Rundumschlag“ einiges Ungenügen hinterlassen, ist auch den Veranstaltern nur zu bewußt: Wenn auch nur wenig konkrete Konzepte angeboten werden können, so haben die Toblacher Gespräche zumindest in Südtirol „Eingang in die Sprache der Politik gefunden“, so Johann Viertler, einer der Mitorganisatoren der Tagung. Und für Arnim von Gleich von der Universität Bremen erfüllen die Toblacher Gespräche vor allem einen Zweck: eine Debatte zwischen der ökologisch orientierten Wissenschaft und der Öffentlichkeit herzustellen. Was sich davon beim Thema „Arbeit und ökologischer Wohlstand“ nach Deutschland transferieren läßt, wäre für Arnim von Gleich die Idee sogenannter „Innovationsbündnisse“ zwischen Umweltverbänden, Unternehmern, Wissenschaftlern, um konkrete Strategien für Deutschland auszuarbeiten. Die Zeit der Appelle ist vorbei. Worum es jetzt geht, sind neue Akteure.“ Wie wahr. Bettina Fink
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