"Isch chaaabe garr kein Auto"

■ Angelo, der Cappuccino-Mann, im wirklichen Leben / Körbeweise Fanpost für den feschen Italiener / Selbst im Urlaub hat er keine Chance zu entkommen

Schnitt. Ein Tisch, eine Tasse, eine Teekanne voll heißen Wassers. Ein Italiener mit Latin-Lover- Blick für Hausfrauen, eine Dose mit löslichem Kaffee und dann der Text: „Guardate come è cremoso! Piccolo, forte e nero.“ (Für die seltenen Nicht-Italienexperten: „Schau, wie cremig er ist! Klein, stark, schwarz.“) Fertig ist die original italienische Urlaubserinnerung.

Schnitt. Zu bewundern allabendlich in den deutschen PAL- Mattscheiben.

„Klein, stark, schwarz“ – in der Fernsehwerbung ist ein Instantkaffee gemeint, der den verkaufsfördernden und durch nichts gerechtfertigten Namen „presso, presso“ trägt. Durchaus willkommen sind aber auch andere, deutlich anzüglichere Assoziationen. „Klein, stark, schwarz“, im Klischee sind das die Südländer – immer feurig und sexy. Der Italiener an sich, der führt die Beliebtheitsskala der rassigen Dunkelhäutigen als charmantester Barmann und als temperamentvollstes Erotikbündel an. Diese gern gesehenen Eigenschaften, weil in diesem Land der Deutschen unter denselben eher selten anzutreffen, werden von „Signor Angelo“ (man beachte die Kombination!) aus der Kaffeewerbung eines Schweizer Schokoladenherstellers perfekt in Szene gesetzt:

Schnitt. Signor Angelo lädt entnervte Blondinen zum Kaffee- Quicky ein. Sie denkt an ihr zugeparktes Auto. Er denkt an sie. Sie will's endlich wissen. Er auch. Seine Antwort: „Isch chaaabe garr kein Auto, Signorina.“ Stimme im Off weiß es besser: „Für die italienischen Momente im Leben.“ Schnitt. Merke: Wenn man Italiener ist, braucht Mann nicht einmal ein Auto, um bei den deutschen Frauen anzukommen.

Herr Angelo alias Bruno Maccalini ist im wahren Leben wirklich Italiener, was in der Werbung selten genug vorkommt. Wer sich da als Italiener, Spanier oder sonst was verkauft, ist oft die schlechteste aller Imitationen. Bruno Maccalini alias Angelo ist dagegen echt: reiner, als Persil je waschen könnte, und für manch eine Frau appetitlicher als eine Dr.-Oetker- Pizza. Obwohl Bruno Maccalini alias Angelo alias Cappuccino alias presso, presso kein Strich deutsch sprechen kann – für den einzigen deutschen Satz in den bisher sechs mit ihm abgedrehten Spots mußte er tagelang üben! –, bekommt er körbeweise Fanpost endlos schmachtender Frauen aus deutschen Landen. Qualität kommt eben aus deutschen Landen. Kostprobe:

„Lieber Angelo, jeden Abend schalte ich den Fernseher ein und warte auf Dich. Ich muß Dein Gesicht sehen, sonst kann ich nicht schlafen. Gestern hatte ich einen tollen Traum: Du hast mich gefragt, ob ich mit Dir einen Cappuccino trinken würde. Jaaa! Und weißt Du was, ich möchte der Schaum darauf sein! Ti amo, Karin.“ Andere Briefe klingen ähnlich. Sie zielen mehr unter die Gürtellinie, als auf den Gaumensegel.

Der Klischee-Italiener par excellence schlägt sogar den spießbürgerlich-aufdringlichen und ewig selbstverliebten Melitta- Mann in der Gunst weiblicher Begierde um Längen, das jedenfalls behauptet eine Sonntagszeitung, die in lebenswichtigen Fragen stets im Bilde ist. Über den überragenden Erfolg der Fernsehspots von Nescafé wundert sich Bruno Maccalini schon ein wenig. Schließlich habe er in keinem Film mitgespielt, sondern sei ein „stinknormaler“ Irgendwer in einer 30-Sekunden- Einstellung. Gerade hat er sich in einem Badeort bei Rimini erholt. Dort sollen ihm schon deutsche Touristinnen mit und ohne ihre Männer aufgelauert haben. Die Badehose als Tarnung hatte ihm nichts genützt. Sogar im Adamskostüm hält er für viele im Geist eine Kaffeetasse in der Hand.

Doch so dumm, wie er in den Spots spielt, ist Bruno alias Angelo nicht im geringsten. Im wirklichen Leben ist er ein exzellenter Theaterschauspieler, zum zweiten Mal verheiratet („Erst seit den Spots habe ich erfahren, daß ich ein Sex- Appeal habe“) und hat eine kleine Martina. Daß er mithilft, die Legende vom allzeit bereiten, immer Schürzen jagenden, immer temperamentvollen Latin Lover zu verstärken, tut ihm trotz seiner intellektuellen Möglichkeiten nicht leid. Dafür hat er einleuchtende Gründe: „Diese Figur Angelo spiegelt zweifellos ein altes Klischee wider. Ich glaube aber, daß ich mich damit abfinden kann, wenn ich mir gleichzeitig überlege, daß es wohl besser ist, das Bild des kaffeetrinkenden Italieners, der mit der Pizza verwandt ist und an den Spaghetti der Mamma klebt, zu pflegen als zum Beispiel das Stereotyp des Mafioso oder Rassisten, der auch in Italien derzeit Hochkonjunktur hat. Diese Dinge sind für mich abscheulicher und für ein Volk auf jeden Fall unwürdig“.

Zum Kaffee ist seine Meinung etwas geteilt. Presso, presso und Cappuccino von Nestlé seien zwar nahezu geniale Produktideen, aber er habe herausgefunden, daß sie sich nur als Digestiv eigneten. Zu deutsch: Davon wird Mann bestimmt nicht munter. Italienisch genießen, das könne man halt nur in Italien.

Franco Foraci