■ Eröffnung des 160. Oktoberfestes in München
: Die Angst des OBs vor dem Spundloch

München (taz) – Sieben Schläge, und die mit links. Die ersten a bisserl zaghaft, ab dem dritten und vierten is dann scho wuchtiger worn. G'spritzt hat's ned, aber seitlich is beim vierten Schlag am Wechsel (Zapfhahn) a weng a Saft aussikemma. Wie eine etwas müde Ejakulation hat des ausg'schaut. Aber danach hat er schnell no dreimoi naufghaut, da Ude, und dann is guatganga. Dann hat er a paar Maß eing'schenkt und feierlich „O'zapft is!“ g'sagt. Und zum Schluß hat er mit seine zwoa Bürgermeisterinnen und am Stoiber Edmund angestoßen, und damit war die 160. Wies'n eröffnet.

Soweit in trockenen Worten das Ereignis am Samstag mittag, dessen Ausgang die Münchner Öffentlichkeit seit Wochen gehörig umgetrieben hat. Selbst in der U-Bahn wurde in den letzten Tagen amüsiert und gespannt diskutiert, wie sich der frischgewählte neue Oberbürgermeister wohl beim „Anzapfen“ anstellen werde. Denn seit der gemütliche (und nie ohne das schmückende Beiwort „legendär“ zu zitierende) Thomas Wimmer 1950 diesen Brauch begründete, ist die Eröffnung des Oktoberfestes mit Schlegel und Schürze für jeden amtierenden OB Privileg und Herausforderung zugleich.

Der Wimmerdammerl hat es in seinen besten Zeiten mit zweieinhalb Schlägen geschafft, der Vogelhansi benötigte beim ersten Mal zwölf und hat sich dann langsam gesteigert, Kronawitterschorschi und Kieslerich haben mit wechselndem Glück geputted. (Kiesl vergaß allerdings einmal das „O'zapft is!“, und viele halten das in der landesüblichen Launigkeit politischem Versagen gegenüber für den wahren Grund, daß er auf Nimmerwiederwählen in der Versenkung verschwand.)

Grund genug jedenfalls, das ganze Ritual für eine enorme Amtsbürde zu halten. Von der „Angst des OBs vor dem Spundloch“ ist denn auch immer wieder gerne die Rede. Christian Ude freilich bestritt eine solche mannhaft, zumal das übliche Gschwerl der Prominenten, die sich in den Logen um ihn herum flegelten, vermutlich nichts mehr bejubelt hätte, als eine Paulanerdusche auf ihre Designerloden. Daraus ist nichts geworden. Das „bestgehütete“ Geheimnis aber, ob er nun geübt hat oder nicht, wollte Ude im Schottenhammelfestzelt weder um fünf vor noch um fünf nach zwölf lüften. Daß er anzapftechnisch auf jeden Fall nicht ganz auf der Brennsuppen daherschwamm, dafür sorgte eine umsichtige Regie. Amtsvorgänger Kronawitter hatte die Zapfstelle rechtzeitig umbauen lassen, damit Linkshänder Ude im Kamera-Getümmel den Schlag auch richtig ansetzen konnte. Und so konnte die Hand, die tags zuvor noch die des in der Stadt weilenden japanischen Kaisers geschüttelt hatte, nun bequem den Zapfhahn umfangen, während die Linke ihr friedvolles Werk verrichtete.

Kaiserlich-königlich-bayrisch- sozialdemokratisches München, da lächelte sogar Carolin Reiber milde und sprach – weiß der Teufel, zum wievielten Male – vom edlen Gerstensaft, der nun millionenfach zwei Wochen lang durch die durstigen Kehlen rinnen werde. Und dann wurde auf die Gemütlichkeit ein Prosit und abermals ein Prosit ausgebracht.

Ein Lokaltermin am Samstag abend erbrachte: Die Maß kostet so um die 9,45, also 10 Mark, eine große Brezen fünf, einmal Autoscooter drei. Die Attraktionen wie „Take off“ und diverse andere Rüttel- und Schüttelamüsements sind sauteuer, aber saugeil, weil sie jede Schweinshaxn umgehend ins Kleinhirn katapultieren. Gesichtet wurden wenig „Aussis“ (der Schrecken der letzten Jahre), dafür viele Brasilianer, die selbst bei Humpta-Humpta-Weisen noch anmutig die Hüften schwingen und dabei auch noch für „Brahma“- Bier aus Rio werben. In den Bierzelten ist das Dirndl wieder im Kommen, der Wies'n-Hut der Saison ist ein grauer Filz im Hotzenplotzstil. Bei Klatschliedern wird auf die Bänke gestiegen, bei Oldies der Nachbarin an den Hintern gegriffen. Schunkeln nur, wenn kein Bayer am Tisch sitzt. Einmal Maßkrug umschmeißen wird mit einem Freibier abgegolten. Hat man mindestens zwei Bier vom Nachbarn auf der Hose, kann es ein sehr netter Abend werden. Thomas Pampuch