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Der Wählermarkt formiert sich neu

■ Die Infas-Analyse zur Bürgerschaftswahl in Hamburg

Bonn (dpa) – Im Vorfeld des Wahlmarathons 1994 formiert sich der bundesdeutsche Wählermarkt neu. Zu dieser Einschätzung gelangte das Bonner Institut für angewandte Sozialwissenschaften (Infas) am Montag bei seiner Analyse der Hamburg-Wahl:

„Bei der vorgezogenen Hamburger Wahl haben die Wähler des Stadtstaats einer Stimmung erneut Ausdruck verliehen, die seit längerem das politische Klima der Bundesrepublik beherrscht. Verdrossenheit, Protest, Vertrauensverlust der Parteien sind die Stichworte. Das Votum gegen das überlieferte Parteiensystem ist allerdings noch nie so drastisch ausgefallen. Bei allen hanseatischen Besonderheiten war dies ein Vorgeschmack auf die Überraschungen, die der Wahlmarathon 1994 bieten kann.

In einem Punkt hat sich gegenüber der letzten Bürgerschaftswahl nichts geändert. Die Nichtwähler sind, trotz höherer Wahlbeteiligung, wie vor zwei Jahren die stärkste „Partei“ geworden. 30 von 100 stimmberechtigten HamburgerInnen blieben diesmal der Wahl fern. Von 100 Wahlberechtigten konnte die SPD knapp 28, die CDU gerade 17, die FDP knapp drei für sich gewinnen. Zusammen waren die drei „alten“ Parteien nur für 47,5 Prozent aller Hamburger Wahlbürger attraktiv.

Die Verluste der etablierten Parteien binnen zweier Jahre lagen in der Größenordnung von 135.000 Wählerstimmen. Daß eine alleinregierende Partei kräftig Federn lassen muß, ist nicht neu: die Verluste der SPD waren 1970 und 1978 sogar höher gewesen als diesmal. Neu dagegen: Daß die CDU als größte Oppositionspartei davon nicht, wie damals, profitiert, sondern noch höhere Verluste zu verzeichnen hat, und daß die FDP daraus keinen Vorteil ziehen konnte.

Das Unmutsgefühl hat in Hamburg einen neuen Namen bekommen: Statt Partei. Die Abwanderung von den drei etablierten Parteien zu den drei politischen Gruppierungen neuen Typs – zu denen auch die Grünen als Protestpartei der 80er Jahre zu rechnen sind – waren das Markenzeichen dieser Wahl. „Gegenbewegungen“ hat es kaum gegeben, nirgendwo haben SPD, CDU und FDP Stimmen gewonnen, nirgendwo GAL oder „Republikaner“ Stimmen verloren. Die Grün-Alternativen sind weiterhin und verstärkt eine innerstädtische Partei. In den attraktiven Wohnlagen von Eimsbüttel und Rotherbaum, im Studenten- und Aufsteiger-Milieu lagen ihre Zuwachsraten deutlich über zehn Punkte, ihre Stimmenanteile mittlerweile über 20 oder gar 30 Prozent. Hier hat die SPD Einbußen von über zehn Punkten zu verzeichnen, die CDU dagegen unterdurchschnittliche Verluste.

„Republikaner“ und DVU haben ihre Schwerpunkte vor allem in traditionellen Arbeitervierteln. Landesweit haben sie zusammen 7,6, in einigen Brennpunkten um 15 Prozent erreicht.

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