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Voscherau vor der Qual der Wahl

■ Hamburgs Bürgermeister will eventuell die SPD-Basis über eine Koalition entscheiden lassen

Hamburg (taz/dpa) – Hamburgs Politiker frönten gestern dem Wassersport: sie waren abgetaucht. Nach dem Debakel der drei etablierten Parteien – SPD, CDU und FDP verloren zusammen fast 20 Prozent der Stimmen – herrschte am Montag erst einmal Sendepause. „In aller Ruhe“ war schon am Sonntag abend die Lieblingsformulierung des Ersten Bürgermeisters Henning Voscherau, werde man über die „Abmahnung“ des Bürgers nun beraten, um dann die sachlich gebotenen Konsequenzen zu ziehen. Dabei ginge es nicht um Farbenspiele, sondern um die Durchsetzungsmöglichkeiten für die eigene Linie. Gestern abend wollte der Landesvorstand der SPD in einer ersten Runde abklopfen, ob dies wohl eher mit der Grünen Alternativen Liste (GAL) oder den Senkrechtstartern der Stadt, der sogenannten Statt Partei möglich ist. Markus Wegner, CDU-Dissident, Gründer und Chef der Wählervereinigung, die auf Anhieb 5,6 Prozent bekam, stellte sich gestern als erster der Presse und verkündete, seine Truppe sei unter Umständen bereit, eine Minderheitsregierung unter Voscherau zu tolerieren. Voscherau, der sich entgegen der Mehrheitsströmung in seiner Partei hinhaltend gegen eine Koalition mit der GAL sperrt, nahm dies mit Wohlgefallen zur Kenntnis. Allerdings deutete er auch an, daß das in der Partei derzeit populäre Instrument einer Mitgliederbefragung über den möglichen Koalitionspartner zum Zuge kommen könnte. Das hänge allerdings davon ab, ob es „etwas Konflikthaftes zu entscheiden gebe“, sagte er in Bonn.

Der Bundesvorstand der Grünen hat die SPD dagegen bereits gestern förmlich aufgefordert, in Hamburg eine rot-grüne Koalition einzugehen. Wenn die SPD es mit ihren Bekenntnissen zu einer Reformpolitik ernst meine, könne sie nur ein solches Bündnis eingehen, sagte die Grünen- Vorstandssprecherin Marianne Birthler in Bonn. Birthler und ihr Sprecherkollege Ludger Volmer waren zuvor zu dem lang erwarteten Gespräch mit dem SPD-Vorsitzenden Rudolf Scharping zusammengetroffen. Bei dem schon länger verabredeten Gespräch sei es um alle möglichen Fragen der aktuellen Politik gegangen, sagte Volmer. Über den Inhalt sei Stillschweigen verabredet worden. Birthler bezeichnete das Ergebnis der Hamburger Grünen – sie erzielten mit 13,5 Prozent das beste Resultat, das die Partei je bei Landtagswahlen erreichte – als ermutigend für die ganze Partei vor dem Wahljahr 1994. Volmer warnte seine Parteifreunde aber davor, jetzt übermütig zu werden. Birthler und Volmer äußerten sich erleichtert, daß die Rechtsradikalen in Hamburg nicht in das Parlament gekommen sind. Sie warfen Helmut Kohl und der CDU/CSU vor, die Rechten durch die Themenwahl salonfähig gemacht zu haben.

Die Grünen warnten die SPD davor, sich mit der CDU zu einem „Bündnis der Verlierer“ zusammenzutun, was die CDU bereits angeboten hat. Deren Pastor Peter Hintze kündigte gestern an, obwohl das Desaster der CDU hauptsächlich regionale Ursachen habe, wolle die Partei das Ergebnis bundesweit zu „einem neuen Aufbruch nutzen“. Auch Kinkels FDP, die die Fünfprozenthürde nicht schaffte, warnte davor, Hamburg als Test für die Bundestagswahl „hochzustilisieren“.

Siehe Seiten 3 und 4 und Kommentar Seite 10

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