■ 2. Arbeitsmarkt
: Ideenkarussell

Die Bundesregierung will untertarifliche Einstiegslöhne für Langzeitarbeitslose und speziell niedrigere ABM-Tarife vereinbaren. Günter Rexrodt ist ein Vertreter der „Anreiz-Theorie“: Nur durch einen Einkommensabstand zu den regulär Beschäftigten ließe sich der Anreiz erhöhen, auf den ersten Arbeitsmarkt zu wechseln.

Während jeder normale Chef einem Angestellten mehr Gehalt zahlt, um ihn zu motivieren, soll bei Arbeitslosen das Einkommen aus dem gleichen Grund gesenkt werden. Arbeitslose sind halt doch keine normalen Menschen, oder?

Die Anreiz-Theorie wird auch von den Arbeitgebern unterstützt. Die Hardliner unter ihnen würden am liebsten Arbeitslose in Gemeinschaftsarbeit zu 75 Prozent des Tariflohns Parks fegen und Alte pflegen lassen. Die liberaleren Vertreter sind auch für einen Lohnabstand zum ersten Arbeitsmarkt, schlagen aber auch vor, z.B. Zusatzverdienste nicht mehr voll auf die Sozialhilfe anzurechnen. Einige plädieren für die völlige Abschaffung der ABM, mit Ausnahme der neuen Sonder-ABM.

Die Gewerkschaften stehen im Zwiespalt der Interessen ihrer beschäftigten Klientel und der erwerbslosen Mitglieder. Stimmen von der IG Bau sind gegen einen zweiten Arbeitsmarkt, weil damit untertarifliche Konkurrenz droht.

Der DGB aber findet es sinnvoll, Arbeitslose bei Sanierungsmaßnahmen einzusetzen. In jedem Fall aber sind die Gewerkschaften gegen die untertarifliche Bezahlung bei ABM.

Zu billig dürfen die ABM- Kräfte nicht sein, aber auch nicht zu teuer. Kein Wunder also, daß die SPD in diesen Zwiespalt stürzte. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Anke Fuchs befürwortete einen eigenen Lohnmarkt, außerhalb der Tarifverträge — und bezog daraufhin kräftige Schelte aus den eigenen Reihen.

Die SPD-Linke ist gegen einen zweiten Arbeitsmarkt mit untertariflicher Bezahlung.

Die Ratlosigkeit ruft die Sozialwissenschaftler auf den Plan, zum Teil mit radikaleren Erneuerungstheorien. Derzeit viel im Gespräch: die Idee des SPD- nahen Wirtschaftsexperten Fritz Scharpf. Er schlägt vor, Arbeitsplätze mit niedrigen Löhnen auf dem ersten Arbeitsmarkt zuzulassen und diese Löhne dann durch eine Art „Negativsteuer“ aufzustocken. Andere Wissenschaftler plädieren für mehr Teilzeit und erhoffen sich damit eine bessere Umverteilung der Arbeit.