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Der Weg zur Drachenfrau

■ Kima Andrea Truzenberger illustrierte ein Drachinnen-Märchen

Der Zyklus ist ihr Thema. Vor ein paar Jahren illustrierte Kima Andrea Truzenberger den internationalen Frauenkalender wemoon almanach. In den Ausstellungsraum vom Neustädter Offenen Frauen Atelier stellte sie zwölf Frauen in Ton und leuchtete die dreizehnte, blutende in einer rotdrapierten Gebärmutterhöhle mit Kerzenlicht an. Frauen Kraft Räume nennen die Künstlerinnen dieses Projekt, und das ist es auch, was Kima Andrea Truzenberger mit ihren Arbeiten vermitteln möchte: „Den Zugang zur eigenen, körperlichen, weiblichen Kraft.“

Kima Andrea Truzenberger ist Kunsttherapeutin. Studiert hat sie in Ottersberg, an der von Rose Marie Pütz gegründeten anthroposophischen Kunsthochschule. „Mich hat die kosmische Ebene in der Ausbildung dort angesprochen“, meint sie heute. Vorher hat sie als Tischlerin gearbeitet und in Südfrankreich ein alternatives Leben gelebt, wie sie sagt. Dort traf sie auch Saheta S. Weik, eine Pädagogin aus Deutschland, die sich ebenso beruflich mit dem Thema Menstruation und Frauen in Umbruchsituationen auseinander setzt. Die beiden Frauen haben nun gemeinsam ein Buch gemacht: Drachinnengesänge, ein Märchen für Mädchen und Frauen über den Übergang vom Mädchen zur Frau. Über Freundschaft und Alleinsein, Lust und Sexualität, Träume, Abschied und Neuanfang.

Im Buch wird die junge Drachin Ruach zur Drachenfrau, sie lernt die Drachengeheimnisse kennen, lernt Farben spucken und Klänge hören und nimmt über ihre Träume einen außergewöhnlichen Kontakt zu einer Menschenfrau auf. „Mich interessierte dieses Zusammentreffen, die Verbindung des intuitiven, alten, matrizentrischen Wissens mit unserem Bewußtsein“, so Kima Andrea Truzenberger. „Das Schmutzige der Frau soll eine Umkehr finden; früher ist ihr Zyklus doch eher verehrt worden.“

Drachin Ruach soll nicht wie die herkömmlichen Fabelwesen — und mit ihnen Chaos, Finsternis und alte Ordnung — besiegt werden, sondern Energiequelle sein. Vier zentrale Motive hat sich die Illustratorin aus der Geschichte ausgewählt: Die menstruierende kleine Drachin Ruach, den Drachentanz, zwei weise, zweihälsige Wasserdrachen und die Findung und Vereinigung von Ruach und der Menschenfrau Li-Re. Grün die Drachin, rot ihr Blut — in kraftvollen, bewegenden Farben und gleichzeitig ausgeglichen und einfangend ruhig hat Kima Andrea Truzenberger ihre Assoziationen in Kreide und Aquarell festgehalten.

Das Offene Atelier, wo Drachinnengesänge heute abend vorgestellt wird, ist für die Künstlerin auch Arbeitsplatz, sie war sogar eine seiner Gründerinnen. „Künstlerisches Schaffen ist für mich Leben gestalten und inneres Wissen berühren“, schrieb sie dort an die Wand. Wenn sie gerade nicht im Haus im Buntentorsteinweg beschäftigt ist, malt sie als Kunsttherapeutin mit Leuten im Altersheim. „Auch deren Biographie interessiert mich. Ich versuche ihnen, ihren Rhythmus wiederzugeben, weil sie ja im Altenheim so dumpf werden.“ Silvia Plahl

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