: Ehemalige Musikschule in Potsdam besetzt
■ „Stillhalteabkommen“ mit dem Magistrat / Runder Tisch soll einberufen werden
Nach einer friedlichen Demonstration haben am Donnerstag abend etwa 300 Jugendliche eine leerstehende Villa in der Potsdamer Hegelallee besetzt. Die Hausbesetzer sprachen von einer „symbolischen Besetzung“ der ehemaligen Musikschule der GUS-Streitkräfte. Sie bemalten das frischrenovierte Haus mit Spraydosen und verbarrikadierten die Fenster mit einem vom Nachbarhaus abmontierten Gerüst. Noch am Abend wurde mit Vertretern des Magistrats ein sogenanntes „Stillhalteabkommen“ vereinbart. Der Potsdamer Baustadtrat Kaminski versprach, das Haus erst nach Gesprächen mit den Besetzern räumen zu lassen.
Kulturstadtrat Eschenburg sagte gestern, am kommenden Donnerstag mit den Besetzern in der Hegelallee verhandeln zu wollen. Auch Polizeipräsident von Schwerin will sich an diesen Gesprächen beteiligen. Ob der Baustadtrat Kaminski, der in der Vergangenheit wenig Verständnis für die Hausbesetzer zeigte, auch an dem Runden Tisch Platz nehmen wird, ist unklar.
Die Demonstration, die durch die Potsdamer Innenstadt führte, richtete sich gegen die Räumung eines besetzten Hauses in der Gutenbergstraße vom Mittwoch. Die Jugendlichen forderten die Freilassung der Inhaftierten sowie den Rücktritt des Polizeipräsidenten und des Potsdamer Baustadtrates. In Folge der Räumung war es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und den Besetzern gekommen. 36 Personen wurden festgenommen. Gegen einen 17jährigen Potsdamer wurde inzwischen Hauftbefehl wegen Beleidigung und Verstoßes gegen das Waffengesetz erlassen.
Kulturstadtrat Wieland Eschenburg (Neues Forum/Argus) zeigte sich am Rand der Besetzung verärgert über die Politik des Magistrats. Er sei über die geplante Räumung des Hauses in der Gutenbergstraße nicht vorab informiert worden. Eschenburg bezeichnete den Polizeieinsatz vom Mittwoch als „völlig überzogen“. Er kritisierte weiterhin, daß der Magistrat am Donnerstag keine Initiative zur Lösung des Hausbesetzungsproblems gestartet habe. „Eine koordinierte Aktion wäre jetzt nötig“, meinte Eschenburg.
Brandenburgs Bauminister Hartmut Meyer (SPD) zeigte Verständnis für die Hausbesetzer. Nach Gesprächen mit den Jugendlichen machte er auf die „dramatische Wohnungsnot“ im Land aufmerksam. In Brandenburg fehlten 120.000 Wohnungen. Auch vor diesem Hintergrund müsse die Besetzung gesehen werden, sagte Meyer gestern. Er sehe jedoch keine schnellen oder mittelfristigen Lösungen. In der kommenden Woche sollen nach Worten Meyers Verhandlungen zwischen Kommunalpolitikern und Polizei über Ersatzquartiere beginnen.
An einem Runden Tisch werde sich die Landesregierung nicht beteiligen, sagte Meyer. Es müsse eine politische Lösung in der Kommune gefunden werden. Er habe mit den Jugendlichen gesprochen, da dies die einzige Möglichkeit gewesen sei, die eskalierende Situation zu beruhigen. Ein Sprecher von Potsdams Oberbürgermeister Horst Gramlich (SPD) erklärte, Gespräche würden vom Magistrat nicht unterlaufen. Die Hausbesetzer würden aber nur geduldet, solange nicht gebaut werde. Anja Sprogies
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen