Hamburger CDU will sich mit dem alten Vorsitzenden Dirk Fischer erneuern / Mehr Reform und Ehrlichkeit und mehr starker Staat     Von Sannah Koch

Nur einer schwang verbal die Kettensäge – doch die christdemokratische Parteibasis goutierte dies nicht. Als der ehemalige Bürgerschaftsabgeordnete Claus-Peter Kedenburg sich am Samstag morgen beim CDU-Parteitag auf das Rednerpult hievte, schwoll das unwillige Gemurmel sekundenschnell zu lautstarken Buh-Rufen an. „Herr Fischer, wer viel redet, hat wenig zu sagen“, so legte Kedenburg sich stante pede nach der halbstündigen Rede seines Landesvorsitzenden mit demselben an.

Die CDU-Führungsriege der alten Herren gleiche dem sowjetischen ZK, so Kedenburg (58). Zudem liege auf der Hamburger CDU der Mief der jahrzehntelangen Erstarrung. Geradezu lächerlich sei es gewesen, auf Wahlplakaten abgeschnittene Körperteile (“hirnloser Kopf und gestreifter Bierbauch“) eines unbekannten Kandidaten zu präsentieren. Doch ja, Selbstkritik ist wichtig, waberte es durch die Reihen der Delegierten, aber so doch nicht. Den Weg durch Kedenburgs Schneise wollte kein weiterer Delegierter mehr gehen.

Dennoch sang auch die Hamburger CDU – wie die anderen Wahl-looser – nach der verheerenden Wahlschlappe (25,1 Prozent) das Hohelied des Neuanfangs: In diesen starteten die Konservativen zunächst mit der Bestätigung des zwar nicht Bewährten, aber Gegebenen. Sie sprachen ihrem Vorsitzenden Dirk Fischer mit großer Mehrheit das Vertrauen aus. Der ließ aber dennoch offen, ob er sein Bundestagsmandat für die Rolle des Oppositionschefs in der Bürgerschaft sausen lassen wird.

Der Wertewandel in der Gesellschaft, fehlender Rückenwind von der Bundespartei, mangelnde Siegeszuversicht und Querschläger aus den eigenen Reihen, die Diätenaffäre, etc.pp – nur einige Stichworte, die Fischer als Ursachen für das Wahlergebnis anführte. Für die unabdingbare Parteireform müsse man nun leistungsfähige und charakterstarke Menschen gewinnen. Seine Mahnung: „Es gibt von 25,1 Prozent einen Weg nach oben und einen nach unten. Wer glaubt, es geht nicht mehr tiefer, irrt.“

Mehr noch als die Worte ihres Herrn Fischer bewegte die Christdemokraten die hochmotivierte Rede ihres Bürgerschaftsabgeordneten und neuen Hoffnungsträgers Ole von Beust (38). „Wir geben das Lebensgefühl der Menschen mit unserer Sprache und dem, was wir sagen, nicht mehr wieder“, monierte dieser. Die CDU habe ein Glaubwürdigkeitsproblem: „Wir reden an den Existenzproblemen der Menschen vorbei, wenn wir erklären, daß alles garnicht so schlimm ist“. Seine Zukunftsvision: Mehr Ehrlichkeit sowie die Rückkehr zur Leistungsgesellschaft und zu einem starken Staat, der die Schwachen vor internationalen Verbrechersyndikaten schützt. Der frenetische Beifall gehörte ihm – wie höchstwahrscheinlich auch der Posten als künftiger Fraktionschef.