■ Volkspark-Kick: Hunkes „Bad Seeds“
Die Ohren von HSV-Präsident Jürgen Hunke empfangen Berufungen aus den unterschiedlichsten Gefilden. Das ganzjährig aufs knusprigste gebräunte Gesicht des Versicherungsmaklers mit dem nussigen Haupthaar ist in spirituellen, sportlichen und auch politischen Zirkeln wohlbekannt. Aus der Vielfältigkeit seiner Aktivitäten und dem modischen Nonkonformismus – allein der Designer des Nierentisches kann ein ähnlich ästhetisches Niveau gehabt haben +– resultiert ein mafioses Zockerimage.
Im aktuellen HSV-Stadionmagazin steuert Herr Hunke mit der Offenbarung seines „ganz persönlichen Leitspruches“ zur Überraschung aller gegen: Der Ferrarifahrer ist unter die Bauern gegangen! „Was man pflanzt, wird man auch ernten“, steht da, besiegelt mit der rasengrünen Signatur des Präsidenten. Und wie reagierte die Mannschaft auf die Mutation ihres Repräsentanten zum Landwirt? „Der HSV hat einfach Angst“, diagnostizierte ein Experte in der Halbzeitpause des Matches gegen den MSV Duisburg am Freitag abend. Der Fan bezog sich dabei jedoch weniger auf den Präsidentschaftswandel, denn auf den 5:1 Sieg der Duisburger Aufsteiger vor zwei Wochen beim Deutschen Meister in Bremen. Bis zur 70. Minute stand es 0:0 am Volkspark und das Spiel der heimischen Equipe begann deren Anhänger zu ängstigen. Wenn der Höhenflug nur nicht schon vorbei ist! Die Angst jedoch, das sei positiv angemerkt, verhinderte allzugroße Langeweile. Auf dem Rasen bewegte sich wenig. Die Hamburger klebten am Ball wie ihr neues Maskottchen (die Hummel) am Honig, die Gäste gaben sich noch stabiler und warteten, unterstützt von den „St. Pauli“-Rufen ihrer Gefolgschaft, auf Kontermöglichkeiten. In der 71. Minute war es dann soweit: Ferenc Schmidt flankte auf Uwe Weidemann, dem blondesten Spieler der Liga, und die Ängste wurden wahr. Trotz der nachfolgenden Sturmphase der Mannen um den herausragenden Neuzugang Jörg Albertz blieb es beim 0:1. Dies verdrießte neben den 35.000 hanseatischen Fans vor allem Valdas Ivanauskas. Der ständig auf das engste von zwei Lienen-Eleven bewachte HSV-Stürmer bohrte während der Partie des öfteren seine Fersen in den Rasen, kniff die Pobacken und Hände zusammen und schrie vor Verzweiflung vor sich hin.
MSV-Coach Ewald Lienen jedenfalls war mal wieder zufrieden: „Es war vielleicht nicht ganz gerecht, aber die Punkte ham'wa.“ Benno Möhlmann, geknickt wie eine Tulpe im Regen wirkend, gab sich dennoch tapfer: „Wir haben unsere erste Heimniederlage kassiert, aber das wird uns nicht umhauen.“ Wir hoffen, daß Herr Hunke zukünftig die Finger von den „Bad Seeds“ läßt.
Claudia Thomsen
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