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Der Kaiser reitet wieder am Rhein

■ Wilhelm I. am Deutschen Eck in Koblenz inthronisiert / Wetter politisch korrekt / Nächste Feier schon für kommendes Jahr angedroht

Koblenz (taz) – Es ist wie weiland 1897 bei der ersten Einweihung des Denkmals Kaiser Wilhelm I.: Es schüttet wie aus Kübeln. Stock, Schirm und Hut voran, finden an diesem Samstag morgen dennoch rund 1.000 Unentwegte den Weg zum Deutschen Eck. Wo sich Rhein und Mosel treffen, reitet nach 48 Jahren wieder der Kaiser in Form einer gestifteten Kopie der im Krieg zerstörten Statue, der als „Kartätschenprinz“ 1848 die Revolution in der Pfalz zusammenschießen ließ. Von ein paar toten Demokraten will man sich in Koblenz freilich das Feiern nicht verderben lassen. Oberbürgermeister Willi Hörter hat einen Traum: „Ich wünsche mir“, variiert der Christdemokrat in seiner Ansprache einen Text Tucholskys über den „gigantischen Tortenaufsatz“, „daß eines Tages ein kleiner Türkenjunge einen amerikanischen Touristen fragt: Soll ich Ihnen mal das Denkmal erklären?“ Da die beiden momentan nicht zur Hand sind, rechtfertigt das Stadtoberhaupt das Projekt nochmals im taktisch klugen Dialekt, bevor Arbeiter schließlich unter den mediokren Klängen des „Fanfarenzug Koblenz/Karthausen“ dem Kaiser die Plastikhaube runternesteln: „Wer et Denkmal sehe will, soll komme; wer et nit sehe will, soll ze Huus blievve, un wer kommt, um sich ze ärjere, dem könne mir o nit helve.“ Beifall.

Kein Zweifel: Koblenz macht hier seine eigene Nummer, ungeachtet der Empfehlung einer Historikerkommission und dem ursprünglichen Widerstand der sozialdemokratischen Landesregierung. 325.000 DM sammelten die Bewohner des größten deutschen Bundeswehr-Stützpunktes für das Denkmal. Sie versprechen sich touristischen Auftrieb. Die Kioskbesitzer am Aussichtspunkt haben denn auch den Kaiser bereits als Zinnpüppchen ihrem Sortiment einverleibt, das Lokal „Joe's Winkel“ bietet Interessierten per „er ist wieder da“-Tafel und Deutschlandflagge einen „Kaiserschoppen“ an.

Dennoch will Koblenz nicht jeden am „Eck“ willkommen heißen – so untersagte die Stadt beispielsweise eine Demonstration der NPD-Jugend. „Vaterlandslose GesellInnnen“, die den Denkmalssockel erkletterten und dort symbolisch eine Reichskriegsflagge verbrannten, wurden von der Polizei festgenommen. Ihre roten und schwarzen Fahnen wurden beschlagnahmt, ihre Fahnenstangen zerbrochen, ihre Personalien aufgenommen. Teilweise hätten die Polizisten „brutal“ zugegriffen, klagten die „Vaterlandslosen“, die aber ihrem Motto treu bleiben wollen: „Wir lassen nicht locker – Willi vom Hocker!“

Profit verbuchten die Kaffeebuden, in die das Publikum wegen des sintflutartigen Regens desertierte: Eine Stunde nach Eröffnung des zweitägigen Volksfestes melden die Imbißbuden und Bierbrunnen „Land unter“; ein Organisator räumt hinter vorgehaltener Hand ein, die Sponsoren seien „stinksauer“. Die Tanz- und Trachtengruppen kommen hingegen nicht zum Zug, sie würden bloß ihre Kostüme ruinieren. Darbietungen wie die Moritat vom Deutschen Eck, der Biedermeiertanz der „Altstädter Brunnengemeinschaft“ oder die der „Winninger Winzer-Trachten- und Tanzgruppe“ sollen der Öffentlichkeit gleichwohl nicht vorenthalten bleiben. „Wir treffen uns“, verkündet der Moderator, „nächstes Jahr einfach noch einmal. Dann machen wir im Frühjahr ein Deutsches-Eck- oder Kaiserfest, oder was weiß ich!“ Bernd Neubauer

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